Fach­in­ter­view (Aus­ga­be 2)

Titel: Generation Y: Hoffnungsträger mit neuen Karrierewegen und Führungsstrukturen

Autoren: Michael Born, Mario A. Pfannstiel

Zitierform des Beitrages: Born M., Pfannstiel M. A. (2015) Generation Y: Hoffnungsträger mit neuen Karrierewegen und Führungsstrukturen, ZFPG, Jg. 1, Nr. 2, S. 6-8. DOI: 10.17193/HNU.ZFPG.01.02.2015-02


Interview

Die Gesprächspartner Mario Pfannstiel und Michael Born (Leiter der Personalentwicklung an der Medizinischen Hochschule Hannover) werden im Folgenden mit MP und MB abgekürzt.

MP: Worauf legt die Generation Y Wert?

MB: Dieser Frage ist die Medienfabrik embrace in der Studie „Karriere trifft Sinn“ (Medienfabrik embrance 2015) nachgegangen und kommt zu folgendem Ergebnis:

Junge Fachkräfte ...

  • ... erwarten, dass sich Unternehmen ihren Wertvorstellungen anpassen.
  • ... finden ethisches Verhalten wichtiger als Geld.
  • ... finden auf kurzfristige Rendite getrimmte Konzerne unattraktiv.
  • ... wollen Kinder gleich zu Karrierebeginn.
  • ... sagen Nein zu ständiger Verfügbarkeit und fremdbestimmter Arbeit.

MP: Welche Unterschiede bestehen zu den Vorgängergenerationen?

MB: Die Generationen werden gern sehr pauschal beschrieben:

  • Die Babyboomer leben für die Arbeit.
  • Die Generation X arbeitet, um zu leben.
  • Die Generation Y will erst leben und dann arbeiten.

Natürlich hat jede Generation ihre charakteristischen Wertvorstellungen, die durch die Erlebnisse zwischen Geburt und Eintritt ins Berufsleben geprägt wurden. Der entscheidende Unterschied zu den Vorgängergenerationen liegt aus meiner Sicht aber im veränderten Arbeitsmarkt. Während wir früher ein Überangebot an Arbeitskräften hatten, haben wir heute den Fachkräftemangel. Die Arbeitgeber suchen sich nicht mehr ihre Mitarbeiter aus, sondern die Bewerber wählen ihren Arbeitgeber. Die heutigen Bewerber sind damit in einer ganz anderen Position, um ihre Vorstellungen in der Arbeitswelt durchzusetzen.

MP: Welcher Führungsstil kommt bei der jungen Generation an?

MB: Die jungen Leute erwarten eine gute und enge Führung. Das kann schon deshalb zum Problem werden, weil die Krankenhäuser im ärztlichen Bereich weitgehend keine gewachsene Führungskultur haben. Das Überangebot an Fachkräften erlaubte ihnen das Führen „mit dem befristeten Vertrag“. Dazu bedurfte es keiner ausgefeilten Kommunikationskultur. Die Einführung von Jahresmitarbeitergesprächen wird auch heute noch von vielen Führungskräften im Krankenhaus als zeitlich unmöglich bewertet. Das Führungsgeschäft wird zukünftig sehr viel mehr Zeit beanspruchen als heute und intensiver werden. Die Generation Y erwartet eine inspirierende und transparente Führung. Sie fordert klares und zeitnahes Feedback.

MP: Wo hat die Generation Y aus Ihrer Sicht Defizite?

MB: Sie wollen vielleicht zu schnell zu viel und schätzen die Bedeutung von Erfahrungswissen nicht richtig ein. Wir haben Oberärztinnen und Oberärzte bei uns, die sich bitter beklagen, dass die jungen Leute „noch nichts geleistet haben“ und schon Karriereschritte fordern, die sich ältere Ärztinnen und Ärzte über viele Jahre sehr hart erarbeiten mussten. Hier sind gegenseitiger Respekt und eine gewisse Zurückhaltung an der einen oder anderen Stelle für den Betriebsfrieden sehr wichtig.

MP: Wie gehen ältere Vorgesetzte mit diesem inneren Konflikt um?

MB: Die Anforderungen an unsere Führungskräfte im Krankenhaus werden in den kommenden Jahren unglaublich wachsen. Sie sollen Manager, Mentor, Leader und was nicht noch alles sein. Sie müssen mit unterschiedlichen Generationen im Unternehmen klarkommen, die spezifizierte Führungsstile erwarten. Sie müssen die herkömmlichen und die modernen Kommunikationswege beherrschen und befinden sich in ständigen Change Prozessen. Hier werden die Personalbereiche entsprechende Schulungen anbieten. Das allein wird aber nicht reichen. Die Personalbereiche werden die Führungskräfte bei diesen Aufgaben aktiv unterstützen müssen. Dazu sind sie heute noch gar nicht aufgestellt.

MP: Möchten junge Ärzte noch Führungspositionen übernehmen und wenn ja, was möchten Sie damit erreichen?

MB: Die bisherigen Karrierewege im Krankenhaus wird es in Zukunft so nicht mehr geben. Die heutigen Führungskräfte (Chefärzte, Abteilungsdirektoren etc.) haben ihre Positionen erreicht, weil sie dafür jahrelange Entbehrungen/ Kompromisse (im dienstlichen und im privaten Bereich) in Kauf genommen haben. Sie haben diese Entbehrungen akzeptiert, weil am Ende ihres Weges Führungspositionen standen, die ihnen einen gesellschaftlichen Status, wissenschaftliche Reputation und ein gutes Einkommen garantierten.

Dieser Weg wird für die jungen Mediziner nicht mehr attraktiv sein. Die Ziele dieses Karriereweges sind aufgrund ihres Wertesystems nicht mehr so reizvoll wie früher. Die Entbehrungen auf dem Weg dorthin sind mit den heutigen Vorstellungen zur Dualen Karriere, der Aufgabenteilung in Familie und Kindererziehung nicht mehr kompatibel.

Ein besonderes Problem zeichnet sich dabei für die Universitätskliniken ab. Die Verknüpfung von ärztlicher und wissenschaftlicher Laufbahn wird mit den Lebensvorstellungen der Generation Y nicht mehr vereinbar sein. Wir werden also neue Karrierewege neben der Führungskarriere schaffen müssen, die mit den Vorstellungen der Generationen Y besser vereinbar sind. Tun wir das nicht, wird uns das Personal ausgehen.

MP: Wie gehen Sie mit der Generationenvielfalt um und reichen Ihre Angebote?

MB: Wir stellen den klinischen und wissenschaftlichen Abteilungen neben der Fehlzeitenstatistik und der demografischen Entwicklung auch die Verteilung der unterschiedlichen Generationen in ihrem Bereich zur Verfügung. Wir bieten umfangreiche Schulungen zu diesen Fragen im Rahmen der Führungskräftequalifikation an. Ich habe aber den Eindruck, den Führungskräften ist die Brisanz des Themas und die Relevanz dieser Daten noch nicht bewusst.

Hier kommen wir nur dann weiter, wenn die Personalbereiche die Führungskräfte auch in diesen Fragen beraten und unterstützen können. An der MHH haben wir diesen Schritt gerade hinter uns. Unsere Angebote sind erste Schritte – mehr nicht. Wir müssen aus unseren Erkenntnissen strategische Personalprogramme ableiten und umsetzen. Das sind auch für die MHH momentan noch Visionen. Die meisten anderen Krankenhäuser glauben aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation heute noch, dass sie wichtigere Probleme/ Themen zu lösen haben. Ich sehe das entschieden anders! Die Zukunft der Krankenhäuser steht und fällt zukünftig mit dem Personal.

 

Literatur

Medienfabrik embrance (2015) Karriere trifft Sinn, In: http:// embrace.medienfabrik.de/, Abrufdatum: 14.03.2015.

 

Autorenanschriften

Michael Born, Medizinische Hochschule Hannover (MHH), Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover,                                                E-Mail: Born.Michael( at )mh-hannover.de

Mario Pfannstiel, Hochschule Neu-Ulm, Fakultät für Gesundheitsmanagement, Wileystraße 1, 89231 Neu-Ulm,                     E-Mail: mario.pfannstiel( at )hs-neu-ulm.de