„Ich bin nur König unter Königen“
Podcast mit Joachim Krimmer
Joachim Krimmer führt mit seinem Sohn die Otto Krimmer GmbH & Co. KG in Leutkirch mit 28 Mitarbeitern. Er ist Zentralheizungs- und Lüftungsbaumeister und seit 2014 ehrenamtlicher Präsident der Handwerkskammer Ulm, die rund 140 Mitarbeiter hat. Im Interview mit Barbara Brandstetter und Achim Weiand spricht er über die Relevanz partnerschaftlicher Führung und notwendiger Härten.
Interviewserie: Führung: Wir reden mit.
Juni 2022
Interview mit Joachim Krimmer
Barbara Brandstetter: Wie sieht Führung in Ihrem Unternehmen aus?
Joachim Krimmer: Das Geschäft in Leutkirch führe ich zusammen mit meiner Frau und meinem Sohn zu dritt. Unser Familienunternehmen zeichnet sich dadurch aus, dass wir alle Mitarbeiter sehr gut kennen. Dazu zählen auch die privaten Probleme und Freuden.
Ich sage meinen Mitarbeitern immer, welche Ziele erreicht werden sollen. Bei uns im Handwerk ist wichtig, dass wir die Wünsche der Kunden zufriedenstellend erledigen und eine gute Qualität abliefern. Andernfalls wandern die Kunden ab. Das wissen auch meine Mitarbeiter. Ich lasse sie daher möglichst viel selbstständig arbeiten. In der Handwerkskammer ist das anders, weil es dort eine zweite Führungsebene gibt.
Achim Weiand: Das hört sich etwas komplizierter an. Wenn Sie das Unternehmen zu dritt führen – teilen Sie sich dann die verschiedenen Führungsaufgaben auf?
Joachim Krimmer: Die Aufgaben muss man klar aufteilen. Ich mache zum Beispiel federführend die Einstellungen, sortiere Bewerbungen, führe Vorstellungsgespräche und spreche meine Vorauswahl mit meiner Frau und meinem Sohn ab. Bei den verschiedenen Aufträgen machen wir das etwas anders. Da entscheiden wir bei den einzelnen Projekten, wer sich darum kümmert und dann letztendlich auch, wer die Mitarbeiter auf der Baustelle führt.
Barbara Brandstetter: Führung sieht in der Handwerkskammer in Ihrer Funktion als Präsident ganz anders aus. Wie funktioniert Führung in der Handwerkskammer?
Joachim Krimmer: Die Handwerkskammer wird operativ geführt vom Hauptgeschäftsführer, Herrn Dr. Mehlich. Zusammen vertreten wir die Handwerkskammer gerichtlich und außergerichtlich. Wir beide treffen uns wöchentlich und sprechen wichtige Themen durch. Wenn ich von meinen Mitgliedsbetrieben eine Klage oder ein Lob höre, gebe ich es an Herrn Dr. Mehlich weiter. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Handwerkskammer habe ich selbst noch nie Anweisungen gegeben.
Barbara Brandstetter: Wo haben Sie Führung gelernt?
Joachim Krimmer: Führung habe ich zuerst erlebt durch meine Lehrer und dann als einfacher Soldat bei der Bundeswehr – nämlich dadurch, wie man mit mir umgegangen ist. Und dann gab es in meinem Meisterkurs eine Lehreinheit zum Thema Führung, die mir viel gebracht hat. Ich habe aber auch Managerzeitschriften abonniert und viele Bücher zu Führung gelesen. Viele Inhalte habe ich dann direkt angewendet. Man merkt in der Praxis ja schnell, wo es klemmt und man nicht weiterkommt – etwa, wenn ein Mitarbeiter sich nicht motivieren lässt.
Achim Weiand: Wie hat sich Führung aus Ihrer Perspektive verändert?
Joachim Krimmer: Aus meiner Sicht war früher alles viel autoritärer – sowohl in den Firmen selbst als auch in der Beziehung zwischen Bauherren und Bauleitern. Da wurde oft nicht diskutiert, sondern einfach angeordnet, wie man etwas zu machen hat. Das hat sich dann zu einer partnerschaftlichen Führung entwickelt. Ich selbst habe nie jemandem gesagt: „Das wird jetzt gemacht, schau wie Du das hinbekommst, und notfalls machst Du Überstunden…“. Das war aber früher so üblich. Ich habe mit meinen Mitarbeitern immer diskutiert, wie etwas umgesetzt werden kann und ob Verstärkung oder Maschinen benötigt werden, um einen Auftrag fertigzubekommen. Das verstehe ich unter partnerschaftlicher Führung.
Barbara Brandstetter: Welche Tipps haben Sie Ihrem Sohn gegeben, der immer weiter in Ihre Fußstapfen tritt?
Joachim Krimmer: In der heutigen Zeit muss man partnerschaftlich führen. Dies ist wichtig, um Mitarbeiter halten zu können. Nur wenn ein Betrieb einen guten Ruf hat, bekommt man auch neue Mitarbeiter. Mein Sohn ist von Anfang an ebenfalls sehr partnerschaftlich mit den Mitarbeitern umgegangen.
Allerdings muss man manchmal auch eine notwendige Härte zeigen, wenn ein Mitarbeiter beispielsweise in der Wohnung eines Kunden raucht. Oder wenn der Mitarbeiter es nicht so genau nimmt mit seinen Arbeitszeiten. Dann führt man zunächst ein Gespräch, in dem man ihm genau mitteilt, was sich ändern muss. Wenn sich nichts ändert, gibt es eine erste Abmahnung, eventuell auch eine zweite Abmahnung. Viele Mitarbeiter ändern dann ihr Verhalten zum Besseren. Doch wenn man Fehlverhalten einreißen lässt, kann man die Firma zumachen.
Barbara Brandstetter: Was würden Sie sagen: Ist Führung ein Privileg oder eher eine Last?
Joachim Krimmer: Es macht schon Spaß, wenn man etwas bewegen kann. Ich freue mich auch täglich auf meine Arbeit in der Handwerkskammer. Die einzigen schlaflosen Nächte hatte ich, als ich einem Mitarbeiter mit einem Alkoholproblem kündigen musste. Als auch nach vielen Gesprächen klar war, dass das nichts mehr wird. Und wenn Sie der Person dann ins Gesicht schauen und ihr sagen müssen, dass es keinen Wert mehr hat, das ist schwer. Selbst wenn wir ihm bei der Jobsuche helfen. In diesen Fällen ist Führung eine Last. Aber das kommt Gottseidank nicht so oft vor.
Achim Weiand: Lassen Sie uns noch kurz über die Handwerkskammer reden. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Mitgliedsunternehmen?
Joachim Krimmer: Wir von der Handwerkskammer besuchen immer verschiedene Mitgliedsbetriebe. Ich selbst bin Heizungsbauer und kenne das Geschäft. Aber wie eine Bäckerei, eine Metzgerei, ein Kosmetikgeschäft oder ein Optiker funktionieren und wo bei ihnen „der Schuh drückt“, das weiß ich erst einmal nicht. Die Punkte nehme ich auf und versuche sie dann in unseren Beschlüssen in der Handwerkskammer umzusetzen.
Die Vollversammlung der Mitgliedsunternehmen leite ich als Präsident. Aber dort bin ich „König unter Königen“. Die Mitgliedsbetriebe haben ein großes Selbstbewusstsein - prinzipiell sind wir alle gleichwertig. Meine Aufgabe ist es darzustellen, warum bestimmte Themen geregelt werden müssen. Oft nehmen wir die Einwände der Mitgliedsunternehmen auf, diskutieren diese und ändern Beschlüsse gegebenenfalls noch ab. Ich glaube, das ist auch ein Grund, warum wir relativ oft Vorschläge einstimmig durchbringen. Die Mitglieder merken, dass wir keine Politik über ihre Köpfe machen, sondern sie ernst nehmen.
Achim Weiand: Dann schließt sich hier wieder der Kreis zu ihrem Führungsverständnis im eigenen Betrieb. Dort führen Sie partnerschaftlich, was Sie auch bei der Handwerkskammer praktizieren.
Joachim Krimmer: Ich bin davon überzeugt, dass es nur partnerschaftlich geht. Wenn ich als Präsident autoritär und ohne Bindung an die Mitgliedsbetriebe agieren würde, würde ich riesigen Widerstand erzeugen. Die Handwerkskammer und die ganze Handwerksorganisationen ergeben für mich nur einen Sinn: für die Mitgliedsbetriebe die Wege zu ebnen. Wenn wir beispielsweise merken, dass es Verordnungen gibt, die die Mitgliedsunternehmen hindern oder die nicht umsetzbar sind, dann müssen wir mit der Politik reden und Verordnungen alltagstauglich machen. Das ist eine unserer wesentlichen Aufgaben. Eine Handwerkskammer ohne Mitgliedsunternehmen ergibt keinen Sinn. Selbstdarstellung ist hier fehl am Platz.
Barbara Brandstetter: Sie setzen sich mit der Handwerksammer für die Handwerksbetriebe ein. Sind die Erwartungen an Sie und an die Handwerkskammer manchmal höher als das, was Sie dann letztendlich politisch bewirken können?
Joachim Krimmer: Einige verwechseln den Präsidenten der Handwerkskammer mit einem absoluten Herrscher. Und selbst wenn ein Betrieb überzeugt ist, dass eine Verordnung geändert werden muss, dann ist das immer noch nicht die Meinung aller Betriebe aus diesem Bereich. Zudem haben wir einen Gesetzgeber und eine Verwaltung, die Verordnungen erlässt. Deshalb versuchen wir gute Kontakte zur Politik zu halten und mit der Verwaltung zu sprechen und zu argumentieren. Manchmal gelingt es, die Impulse unserer Betriebe in geänderte Verordnungen umzusetzen. Ich kann aber nicht einen Verwaltungsbeamten zum Rechtsbruch auffordern.
Achim Weiand: Sie haben eben erklärt, dass Sie als Präsident der Handwerkskammer regelmäßig in die Mitgliedsbetriebe vor Ort gehen. Ist es wichtig, dass eine Führungskraft weiß, was in seinem Betrieb abläuft?
Joachim Krimmer: Das ist für mich unabdingbar und elementar wichtig, sowohl im Handwerksbetrieb als auch bei der Kammer. Ich muss als Führungskraft immer auf dem Stand der Technik sein und beobachten, wie sich Kundenansprüche verändern. Als ich 1973 meine Lehre begonnen habe, da gab es beispielsweise kein Abdeckmaterial. Wenn die Handwerker in der Wohnung waren, war diese anschließend verstaubt. Das hat sich komplett geändert. Heute erwartet der Kunde, dass wir mit seinem Eigentum sehr sorgsam umgehen. Das muss ich als Führungskraft wissen, damit ich meinen Mitarbeitern mehr Abdeckmaterial zur Verfügung stelle. Andernfalls gibt es Schwierigkeiten mit den Kunden.
Auch als Präsident der Handwerkskammer Ulm muss ich wissen, welche Probleme in den 130 verschiedenen Lehrberufen des Handwerks existieren. Sie können sich vorstellen, dass ein Maurermeister in einem Betrieb mit 120 Mitarbeitern andere Probleme hat als eine Augenoptikerin, die allein arbeitet und einen einzigen Auszubildenden hat. Das muss man wissen und gesehen haben, damit man vor der Verwaltung und der Politik gut argumentieren kann.
Barbara Brandstetter: Herr Krimmer, vielen Dank für das Interview.
Zur Person
Joachim Krimmer ist gelernter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer. Mit seinem Sohn Christoph Krimmer führt er die Otto Krimmer GmbH & Co. KG in Leutkirch. Seit 2014 ist er ehrenamtlicher Präsident der Handwerkskammer Ulm. Zudem ist er Vorsitzender des Landesausschusses Bildung in Baden-Württemberg und im Stadtrat von Leutkirch aktiv. Auch war er Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Ravensburg und Obermeister der SHK-Innung Ravensburg.
Handwerkskammer Ulm
Die Handwerkskammer Ulm ist die Selbstverwaltung der Handwerksbetriebe in den Landkreisen zwischen Ostalb und Bodensee und eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihre zentrale Aufgabe ist die Beratung von Mitgliedsbetrieben und die Interessensvertretung der Handwerksbetriebe gegenüber der Politik und in der Öffentlichkeit. Die Selbstverwaltung ist Dienstleister und Ansprechpartner für rund 20.000 Mitgliedsbetriebe mit mehr als 120.000 Beschäftigten und rund 8.000 Azubis.