„De­mut und Selbst­re­flek­ti­on sind Grund­stei­ne für er­folg­rei­che Füh­rung"

Interview mit Alexander Weiss

Alexander Weiss ist Geschäftsführer der LEONHARD WEISS Bauunternehmung und führt seit Januar 2014 das Ressort Personal und Kommunikation. Zugleich ist er in der vierten Generation einer der Gesellschafter dieses traditionsreichen Familienunternehmens. Die LEONHARD WEISS GmbH & Co. KG gehört mit über 6.000 Mitarbeitern zu den führenden Bauunternehmen in Deutschland. Seit 2014 wird das Unternehmen durchgängig als TOP Arbeitgeber BAU von FOCUS, XING und kununu ausgezeichnet. Mit Rupert Bardens und Achim Weiand spricht er über Werte, Leitplanken der Führung und das Spezifische des Führens in der Baubranche.

Interviewserie: Führung: Wir reden mit.
August 2022

In­ter­view mit Alex­an­der Weiss

Frage: Herr Weiss, was ist für Sie gute Führung?

Alexander Weiss: Als Führungskraft benötige ich eine Richtung. Ich muss wissen, wo ich hin will, ansonsten wird es schwierig. Gute Führung ist für mich eine Kombination aus Durchsetzungsstärke und der Fähigkeit, als Führungskraft voranzugehen und die Menschen für den gemeinsamen Weg zu begeistern. Und gleichermaßen hat das Zugewandt-Sein zu den Menschen eine große Bedeutung. Es geht bei Führung darum, mit den Menschen zu arbeiten, sie zu entwickeln und sie erfolgreich zu machen.

Frage:  Sind die zahlreichen Auszeichnungen von LEONHARD WEISS als Top Arbeitgeber ein Ergebnis der guten Führung im Unternehmen?

Alexander Weiss: Ja unbedingt; sie sind ein Ergebnis der guten Führung im Unternehmen. Dazu gehören aber auch die Werte und die Auswahl guter Führungskräfte, die die Kultur und die Werte des Unternehmens leben. Dabei geht es nicht nur um die Geschäftsführung, sondern es sind auch und vor allem die Führungskräfte in unseren ca. 60 Profit-Centern, die wir als Unternehmer im Unternehmen verstehen. Überall dort sind die Werte zu leben und auch vorzuleben. Wichtig ist das konkrete Handeln nach diesen Werten.

Frage:  Sind die angesprochenen Werte bei LEONHARD WEISS schriftlich fixiert?

Alexander Weiss: Es gibt ein Leitbild, das von rund 500 Mitarbeitern aus allen Berufsgruppen (gewerbliche, technische und kaufmännische Mitarbeiter) im Jahr 1989 erarbeitet wurde. Es besteht aus vier Absätzen und ist bis heute so beibehalten worden. Daneben gibt es den LEONHARD WEISS-Spirit, der das Ganze spürbar und erlebbar macht. Dieses Leitbild ist schriftlich fixiert, aber es muss für alle Mitarbeiter fühlbar sein und mehr als ein Poster in einem Besprechungsraum. Das Leitbild und die Führung müssen für die Mitarbeiter erlebbar sein.

Bei so vielen Führungskräften und Mitarbeitern fühlt sich das allerdings im gesamten Unternehmen nicht homogen an, das kann es auch nicht bei so vielen Mitarbeitern. Genau an dieser Stelle ist es eine Herausforderung und eine Aufgabe für HR und die Unternehmensleitung, bei der Auswahl von Führungskräften und der Begleitung der Führungskräfte einen Blick auf die Werte zu haben und gegebenenfalls korrigierend zu wirken.

Auch wenn das Leitbild schon lange unverändert existiert, wird es immer im Zeitgeist leicht angepasst und konkret ausgestaltet werden, und das darf sich dem Verständnis der jeweiligen Generationen anpassen. Im Kern bleibt es trotzdem scharf.

Frage:  Sie haben 60 Profitcenter, verstanden als Unternehmen im Unternehmen. Dann gehört es zur Führungskultur, nicht nur Aufgaben zu delegieren, sondern auch Entscheidungs-Kompetenzen. Ist es ein schwieriger Schritt, loszulassen?

Alexander Weiss: Das Loslassen beschäftigt mich gerade. Ich glaube, dass das Loslassen nicht gerade zu den Stärken des Mittelstands in Süddeutschland gehört. Das ist ein wichtiges Thema, an dem wir uns im Unternehmen gerade reiben und wir haben das Loslassen als ein wichtiges Thema auf die Führungsagenda genommen.

Frage: Diese Profit Center erfordern auch viele Unternehmer im Unternehmen. Wie gehen Sie damit um, dass Führung bei LEONHARD WEISS damit auch sehr verschieden sein kann?

Alexander Weiss: Ich möchte „Leitplanken“ haben, zwischen denen wir uns bewegen. Durch unsere Organisationsstruktur und durch HR können wir gut hinschauen und ggfls. eingreifen, wenn etwas nicht so läuft wie es sein soll.

Es ist naheliegend, dass Führung nicht immer gleich sein kann. Jeder Mensch ist anders und führt auf seine Art und Weise. Wir können Individualität zulassen, ohne einen bestimmten Korridor zu verlassen. Letztendlich ist es ein Wechselspiel zwischen Unternehmertum und Freiheiten einerseits sowie den Leitplanken andererseits.

Frage:  Sie sprechen von den Leitplanken der Führung. Auf diesen Leitplanken stehen sicherlich die Werte. Was steht sonst darauf?

Alexander Weiss: Die Werte finden sich da wieder. Dazu gehören der Umgang miteinander und auch die Prozesse, beispielsweise die Prozesse zur Entwicklung der Mitarbeiter von einer Laufbahnebene zur nächsten. Dazu gehören aber auch die Standortbestimmungen, das systematische Feedback an die Führungskräfte. Über diese Prozesse und Werkzeuge sichern wir Standards und damit auch eine einheitliche Qualität. So geben wir beispielsweise jungen Führungskräften nach drei Jahren eine Rückmeldung zu ihrer Wirkung in einem kleinen Assessment Center mit zwei erfahrenen Führungskräften, HR und einem Externen. Das wird von den Mitarbeitern als wertschätzend empfunden.

Bei der Entwicklung von Mitarbeitern müssen wir von HR aus zwei „Welten“ bei uns im Unternehmen betrachten und passgenaue Lösungen z.B. durch unsere eigene Akademie anbieten: Wir haben einerseits die Produktion mit den gewerblichen Mitarbeitern und andererseits die kaufmännischtechnischen Mitarbeiter. In beiden Welten ändern sich die Technologie und damit die Art der Arbeit und der Kooperation rasant, auf die wir Mitarbeitende wie Führungskräfte vorbereiten müssen. Aufgaben werden sich verändern und es gehört auch Führung dazu, die Mitarbeiter in diesem Veränderungsprozess mitzunehmen und den Weg zu ebnen.

Frage:  Was ist für Ihr Unternehmen in der Baubranche typisch, was sich auch auf Führung auswirkt?

Alexander Weiss: Wenn wir an das Arbeiten auf dem Bau denken, dann ist oft von „hart, aber herzlich“ die Rede. Der Ton ist auch mal kräftig. Aber das Herzliche ist auch bei uns, bei LEONHARD WEISS, ein wesentlicher Bestandteil. Wir sind im Vergleich zu anderen Branchen wie etwa dem Maschinenbau eine etwas traditionellere Branche, was sich auch in den Werten und der Führungs-Kultur ausdrückt.

Frage:  Wie hat sich Corona auf das Führen in Ihrem Unternehmen ausgewirkt?

Alexander Weiss: Vorab sei gesagt, dass Corona den Bau nicht so stark getroffen hat wie andere Branchen. Unsere Baustellen sind im Freien und in den Büros konnten wir entsprechende präventive Maßnahmen ergreifen.

Die Pandemie hat aber aus meiner Sicht eine gesellschaftliche Auswirkung, die wir heute noch nicht komplett sehen können. Die psychischen und sozialen Folgen sind extrem. Das ist auch eine Herausforderung für unsere Führungskräfte, da wir die Belastungen unserer Mitarbeiter wahrnehmen und berücksichtigen müssen. Wenn wir also den Mitarbeitern zugewandt sein wollen, dann müssen wir deren Ängste und Sorgen ernst nehmen. Wir können als Führungskräfte nicht alle Probleme der Mitarbeiter lösen und nicht jeder Mitarbeiter möchte seine Themen mit Führungskräften teilen. Aber die Pandemie hat einen Einfluss auf die Leistung der Mitarbeiter und die erreichbaren Ziele. Insofern ist Corona auch für unsere Führungskräfte eine Herausforderung.

Frage:  Sie sind einer von mehreren Geschäftsführern. Sie führen somit im Kollegium. Wo sehen Sie dabei die besonderen Herausforderungen?

Alexander Weiss: Das ist richtig; Führen im Kollegium ist eine Herausforderung. Wir sind aktuell sieben Personen in der Geschäftsführung. Es gibt einen Geschäftsverteilungsplan und jeder hat seine fachliche Zuständigkeit, somit seine Aufgaben und seine Verantwortung. Themen von einer bestimmten Tragweite, die alle betreffen, werden im Gremium diskutiert, um eine gemeinsame Meinung zu finden.

Auch in der Geschäftsführung haben wir durch den Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden eine Hierarchie. Im Idealfall kommen wir zu einer Lösung, die der Meinung aller entspricht. Es kommt aber auch vor, dass eine Teamentscheidung etwas vom eigenen Standpunkt abweicht. Aber auch dann gilt es, gemeinsame Entscheidungen zu tragen. Und diese Entscheidungen tragen dann alle mit.

Frage:  Sie sitzen hier in einer Doppelrolle: Geschäftsführer und Erbe. Was macht das mit Ihnen?

Alexander Weiss:  Das ist eine sehr komplexe Frage. Wir betrachten uns als schwäbischen Mittelstand. Ich bin hier im Firmensitz aufgewachsen und war immer dabei. Hier habe ich auch Demut gelernt, das heißt die Last des Gesellschafters.

Wir sind derzeit drei Gesellschafter in der Geschäftsführung. Auf uns ist immer wieder der Blick gerichtet, mit der Frage, wie wir über bestimmte Dinge denken. Wir haben gelernt, unseren Platz in der Geschäftsführung zu haben und sind uns der Doppelrolle – Geschäftsführer und Gesellschafter - bewusst.

Alexander Weiss:  Als Gesellschafter sind wir der Tradition und dem Erbe verpflichtet. Unser Unternehmen gibt es seit 122 Jahren. Als Gesellschafter verwalten wir etwas, das wir zu gegebener Zeit an die nächste Generation weitergeben. Wir denken und handeln als Gesellschafter nicht über einen Zeitraum von 4-5 Jahren, sondern zumindest über den Zeitrahmen einer Generation.

Frage:  Welchen Tipp geben Sie einer jungen Führungskraft?

Alexander Weiss: Demut und Selbstreflektion halte ich für wesentlich. Als Führungskraft sollte ich wissen, wie wirke ich und wie mich die anderen sehen. Der Abgleich des Selbstbildes mit dem Bild von außen ist wichtig und gesund.

Herr Weiss, vielen Dank für das sehr interessante und offene Gespräch.

Das Un­ter­neh­men

Die LEONHARD WEISS GmbH & Co. KG ist ein Komplettanbieter von Bauleistungen. Sie hat drei operative Geschäftsbereiche mit dem Straßen- und Netzbau, dem Gleisinfrastrukturbau und dem Ingenieur- und Schlüsselfertigbau. Das Unternehmen erhielt u.a. den BAUMA INNOVATIONSPREIS 2016, den QUALITÄTSPREIS Gleisbau 2016 und rangiert unter den TOP-Arbeitgebern Bau und TOPAusbildungsbetrieben.

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