„Gu­te Füh­rung ist ein Pro­duk­ti­vi­täts-Trei­ber.“

Interview mit Ingrid Marold

Die Personal- und Managementberaterin Ingrid Marold aus Ulm spricht im Interview mit Achim Weiand über Führung im Wandel und Anforderungen an Führungskräfte.

Interviewserie: Führung: Wir reden mit.
Dezember 2022

In­ter­view mit In­grid Ma­rold

Frage: Hallo Ingrid, schön, dass Du Zeit hast für dieses Interview. Aus welcher Perspektive schaust Du auf Führung?

Ingrid Marold: Ich bin seit 25 Jahren mit meiner Personal- und Managementberatung hier in Ulm unterwegs. Ganz grob zusammengefasst helfen wir Unternehmensinhabern und Geschäftsführern im Mittelstand die richtigen Führungskräfte zu finden und ihre Unternehmen in allen Bereichen professionell aufzustellen. Und ich bin natürlich Inhaberin und Führungskraft in meinen eigenen Unternehmen.

Frage: Wie hat sich Führung in Unternehmen verändert aus Deiner Perspektive?

Ingrid Marold: Ich erlebe, dass sich Führung tatsächlich noch nicht wirklich verändert hat. Führung muss sich aber verändern – und genau das ist oft das Problem.

Frage: Warum muss sich Führung verändern?

Ingrid Marold: Wir haben ein extrem herausforderndes Umfeld, das die Unternehmensführung immer komplexer werden lässt. Es gibt viele externe Faktoren, die auf Unternehmen einwirken und die sie nicht selbst beeinflussen können: Corona, der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise, Probleme in den Lieferketten, der angespannte Arbeitsmarkt und, und, und. Es ist schlicht nicht möglich vorauszusagen, was in 3 oder 5 Jahren sein wird. Das erfordert kluges und maximal flexibles schnelles Handeln, bei dem die ganze Organisation, im Idealfall begeistert, mitmachen muss. Da kann ein Einzelner oder eine Einzelne on the top nicht alleine entscheiden, was für das Unternehmen gut und richtig ist.

Frage: Gilt das nicht schon länger?

Ingrid Marold: Oh ja! Die Realität sieht aber sehr oft noch anders aus. Gerade im Mittelstand ist der bzw. die „Alleinherrscher:in“ noch weit verbreitet. Auch „Micromanagement“ bis in die einfachsten Prozesse und Entscheidungen hinein.

Frage: Aus Deiner Sicht passt hierarchisches Führen nicht mehr, weil es zu viele, sehr komplexe und sehr instabile Einflussfaktoren gibt (VUCA: volatility – Unbeständigkeit, uncertainty – Unsicherheit, complexity - Komplexität und ambiguity - Mehrdeutigkeit), die eine Führungskraft nicht mehr überblicken kann. Außerdem gibt es da auch noch andere Erwartungen der jungen Mitarbeitenden.

Ingrid Marold: Ja, das ist auch ein weiterer Einflussfaktor. Ich argumentiere jetzt aber bewusst nicht über die oft zitierten anderen Erwartungen der Generation Y oder Z – häufig genug berichten mir junge Mitarbeitende, dass sie sich in diesen plakativen Begriffen und Erwartungen nicht wiederfinden. Aber natürlich sind diese jungen Mitarbeitenden anders als die vor vierzig oder vor zwanzig Jahren. Wir waren ja auch anders als unsere Eltern.

Es geht aber eben nicht ausschließlich darum, dass wir ein tolles Umfeld im Unternehmen schaffen, weil die Generation Z das will – nein, es macht einfach viel Sinn, ein gutes Arbeitsumfeld im Unternehmen mit einer guten Führung zu etablieren. Führung unter Einbezug der Mitarbeitenden macht Sinn, weil wir allein die Komplexität nicht meistern können. Und je größer die Komplexität wird, desto mehr benötige ich als Top-Führungskraft Unterstützung.

Frage: Wie kann man denn Komplexität meistern?

Ingrid Marold: Ich kann Komplexität auflösen, indem ich klar strukturierte einzelne Prozesse habe, an deren stetiger Verbesserung jede:r einzelne Mitarbeitende Interesse hat. Jede:r weiß, welche Rolle er oder sie einnimmt und welchen Beitrag er oder sie zum Unternehmensziel beiträgt. Es erklärt sich eigentlich von selbst, dass diejenigen, die diese Prozessschritte ausführen sollen, in diesen Optimierungsprozess maximal eingebunden sein müssen. Heißt: ich muss mich mit den Einzelnen intensiv auseinandersetzen, was die Fähigkeiten angeht und was die Wünsche angeht. Nur so geben mir die Mitarbeiter:innen ihr maximales Potenzial. Nur so wird meine Organisation besser und produktiver, haben die Mitarbeitenden Spaß bei mir zu arbeiten, was wiederum direkt auf das Unternehmensklima Einfluss hat. Je produktiver ich arbeite, desto „bessere“ Mitarbeiter:innen kann ich mir leisten und habe die Chance gute auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen.

Frage: Was Du schilderst mit dem Einbeziehen der Mitarbeitenden, um gemeinsam Verbesserungsmöglichkeiten zu finden und Optimierungen zu realisieren, das bedingt dann aber auch einen anderen Führungsstil.

Ingrid Marold: Ganz genau. Um von vorne anzufangen: Die Aufgabe einer Führungskraft leitet sich ab aus dem Auftrag eines Unternehmens: Ein Unternehmen will dieses Produkt oder jene Dienstleistung am Markt positionieren und wachsen. Als Führungskraft muss ich mit meinem verantworteten Bereich den Beitrag leisten, dieses Ziel zu erreichen. Ich muss mich also täglich mit diesen Zielen befassen, die Kennzahlen kennen, Strategien erarbeiten, wie ich Produktivität steigere, wie ich Mitarbeiter:innen gewinne, meine Fluktuation gering halte etc.

Wenn wir uns die zentralen Aufgaben anschauen, können wir diese zusammenfassen in: Strategie, Prozess, Mensch. In der Realität finden wir aber häufig weit über 50% fachliches Doing bei Führungskräften. Ich selber stelle mir bei jeder Aufgabe, die ich mache, die Frage: Muss ich das selber machen, oder habe ich die Expertise in meinem Team, an die ich das deligieren kann? Daraus ergibt sich unglaubliches Wachstumspotenzial.

Frage: Du meinst, dass diese neue Art von Führung im Mittelstand oft schwierig einzuführen ist. Warum ist das so?

Ingrid Marold: Wir finden im Mittelstand häufig inhabergeführte Unternehmen, die sehr erfolgreich sind oder zumindest waren. Man kann also sagen, die Inhaber:innen haben alles richtig gemacht. Warum sollte ich jetzt etwas ändern? Erfolg ist leider der schlechteste Ratgeber für Veränderungen. Ich habe erst letztlich eine Dokumentation über die industrielle Revolution gesehen. Diejenigen, die zu lange am Pferdefuhrwerk festgehalten haben, gab es später nicht mehr. Ich glaube, dass wir an einem ähnlichen Punkt sind wie damals. Wer die Zeichen der Zeit verpasst, wird in Zukunft nicht mehr existieren.

Um aus der Praxis zu reden: Wir hören zum Beispiel von vielen Führungskräften, insbesondere aus dem Personalbereich, dass sie mit der Recruiting-Problematik in der Geschäftsführung kein Gehör finden. Es wird schlicht nicht darauf reagiert. Es werden keine Employer Brand Budgets freigegeben, die allseits diskutierten Forderungen der neuen Generation als Blödsinn abgetan.

Sich selbst mit seinen bisherigen Erfolgen in Frage zu stellen, mit seinen Routinen und (bis dato ja erfolgreichen) Verhaltensweisen – das ist in der Tat eine große Herausforderung.

Frage: Wie kommt ein Unternehmen zu neuen Führungskräften?

Ingrid Marold: Häufig noch steigen langjährige gute Fachkräfte zu Führungskräften auf. Talentmanagement ist meines Erachtens für den Mittelstand gerade eine der wichtigsten Aufgaben überhaupt. Es muss sehr genau und frühzeitig ermittelt werden, ob jemand überhaupt Führungsarbeit übernehmen will und das auch kann. Führungsarbeit setzt aus meiner Sicht voraus, dass man Menschen mag. Dass man sich mit seinen Mitarbeiter:innen auseinandersetzen will. Wir erleben oft, dass die jährlichen Mitarbeitergespräche als ein notwendiges Übel wahrgenommen werden. Und das bei einem Mal im Jahr! Eine Hauptaufgabe einer Führungskraft ist Menschen zu führen. Sie zu befähigen einen guten Job zu machen. Ihnen ein Umfeld zu schaffen, damit sie einen guten Job machen können. Wie soll man das schaffen, wenn man eigentlich am Liebsten seine Ruhe haben möchte?

Wohlgemerkt sind Unternehmensgründer:innen nicht unbedingt die Menschenfreunde. Die intrinsische Motivation ist hier eine völlig andere. Das operative Geschäft sollte aber von Führungskräften gemacht werden, die ein Interesse an Menschen haben.

Frage: Muss man diese Voraussetzung für eine Führungskraft überprüfen bei der Einstellung oder Beförderung?

Ingrid Marold: Auf jeden Fall! Ich würde jemanden nur dann zu einer Führungskraft machen, wenn er oder sie grundsätzlich ein Interesse am Menschen hat. Natürlich neben den genauso wichtigen Fähigkeiten im Prozess und der Strategie. Ich würde auf keinen Fall jemanden befördern, nur weil er oder sie fachlich hervorragend ist und beispielsweise der oder die beste Key Account Manager ist. Bei Neueinstellungen überprüfen wir das auch durch eine Potenzialanalyse.

Frage: Was benötigt man in Zukunft an Kompetenzen für Führung?

Ingrid Marold: Am wichtigsten ist eine gute Selbsteinschätzung. Nicht umsonst heißt es ja „Nur wer sich selber kennt, kann andere führen“. Die Selbstreflektionsfähigkeit ist wichtig, um sich selber ständig zu hinterfragen. Eine hohe Prozessaffinität halte ich für unabdingbar, um den ständig wechselnden Herausforderungen gewachsen zu sein. Die schon genannte Menschenzugewandtheit, um auf eine gute Unternehmenskultur einzuwirken. Zusätzlich werden etwa Abstraktionsvermögen, strategische Kompetenzen und das „über den Tellerrand hinausdenken“ immer wichtiger. Im Zentrum der Aufgabe steht für mich die Befähigung der Mitarbeiter:innen.

Ingrid, herzlichen Dank für dieses sehr interessante Gespräch.

Das Un­ter­neh­men

Die MAROLD Personal- und Managementberatung in Ulm hilft seit 1995 dem Mittelstand erfolgreicher zu werden: durch die richtigen Führungskräfte und effiziente Prozesse. Damit die Produktivität steigt. Damit Nachfolgegenerationen Lust auf das Geschäft bekommen. Damit gute Bewerber:innen in das Unternehmen kommen.