„Die Mit­ar­bei­ter ge­hö­ren für mich zur Fa­mi­lie, auch wenn ich der Chef bin“

Interview mit Mustafa Koc

Mustafa Koc ist Anfang der 90er Jahre mit einem Blumengroßhandel in Crailsheim gestartet. Es folgten ein Obst- und Gemüsemarkt und das City Center. 2015 eröffnete er zudem das City Hotel in Crailsheim. Mit Rupert Bardens und Achim Weiand spricht Mustafa Koc über die Führungs-Herausforderungen in unterschiedlichen Branchen, die Rolle der Familie und rote Linien in der Zusammenarbeit.

Interviewserie: Führung: Wir reden mit.
September 2022

In­ter­view mit Mus­ta­fa Koc

Frage: Herr Koc, schön dass wir bei Ihnen sein können. Können Sie uns etwas zu Ihnen erzählen, wer Sie sind und was Sie führen?

Mustafa Koc: Mein Name ist Mustafa Koc. Geboren bin ich in der Türkei und seit 1990 lebe ich in Deutschland. Meine erste unternehmerische Aktivität startete ich im Alter von 13 Jahren, also noch in meiner Schulzeit. Ich lebte auf einem Dorf in der Türkei. Dort gab es viele Kinder, aber keine Einkaufsmöglichkeit. Also eröffnete ich im elterlichen Haus einen Kiosk. Süßigkeiten und Spielsachen gehörten zu meinem kleinen Sortiment. Damit verdiente ich mir mein erstes Geld. Später handelte ich mit Büchern, die ich mit guten Rabatten einkaufen konnte. Während der Studienzeit arbeitete ich in der Gastronomie und in Hotels in Ankara. Dort wurde ich in der Studienzeit – nachdem ich als Kellner begonnen hatte – im Laufe der Zeit Geschäftsführer und hatte 35 Mitarbeiter. In der Stadtmitte von Ankara eröffnete ich auch mein erstes Geschäft.

In Deutschland startete meine Selbständigkeit mit dem Handel von Seidenblumen. Später eröffnete ich einen Obst- und Gemüseladen. Im Laufe der Jahre kamen weitere Firmen und Geschäfte hinzu. Heute betreibe ich ein Einkaufscenter, ein Hotel, einen Handel mit Fliesen sowie ein Teppichgeschäft. Daneben engagiere ich mich in Immobilien, die ich auch projektiere und realisiere.

Frage: Sie haben eben betont, dass Sie als Hilfskellner begonnen haben und Geschäftsführer wurden. Ist es aus Ihrer Sicht wichtig, von der Pike auf, also von der untersten Stufe auf, ein Business kennenzulernen?

Mustafa Koc: Für mich war es sehr wichtig und ich halte es für wichtig. Ich kenne im Hotel- und Gaststättenbereich alle Tätigkeiten. Und auch in den anderen Geschäftsfeldern habe ich alles gemacht. Ich bin selbst jahrelang nachts um 2 Uhr zum Großmarkt gefahren, habe verkauft und alles andere gemacht. Das half und hilft mir beispielsweise, die Risiken von Geschäften einzuschätzen. Und das hat mir beispielsweise auch geholfen, Steuerberater oder Banken von meinen Ideen zu überzeugen.

Frage: Ihre Kinder sind auch in Ihren Unternehmen. Erwarten Sie das auch von Ihren Kindern?

Mustafa Koc: Meine Kinder haben von ihrer Kindheit an in meinen Firmen mitgearbeitet und dort ihre Ausbildung gemacht. Aber es ist heute anders als früher. Die Kinder sind in einer anderen Situation aufgewachsen. Es gab nicht so viele Entbehrungen; es war mehr Luxus. Aber meine Kinder haben auch alle Aufgaben in den Geschäften gemacht, in denen sie heute arbeiten. Und auch bei ihnen wurde die Verantwortung im Laufe der Zeit größer. Heute führt beispielsweise mein Sohn das Hotel selbständig. Er macht den Einkauf, organisiert alles und verhandelt die Preise mit den Großkunden.

Frage: Herr Koc, was heißt für Sie Führung und woran zeigt sich gute Führung?

Mustafa Koc: Führung heißt für mich, Mitarbeiter in einem familiären Klima nach ihren Fähigkeiten einzusetzen. Die Mitarbeiter gehören für mich zur Familie, auch wenn ich der Chef bin. Ich sehe die Mitarbeiter als Kollegen, nicht als Untergebene. Gute Führung zeigt sich für mich in zufriedenen Mitarbeitern und dem unternehmerischen Erfolg. Mir ist es dabei auch wichtig, dass die Mitarbeiter selbständig und eigenverantwortlich arbeiten können. Wenn ich mich immer wieder einmische und dazwischenfunke, geht die Selbständigkeit schnell verloren. Daher gebe ich den Freiraum und definiere nur den Rahmen beziehungsweise die Ziele. Und für mich ist für eine gute Führung auch wichtig, dass meine Mitarbeiter sich wohlfühlen und ich als Firmenchef immer pünktlich das Entgelt überweise. Das heißt Führung für mich. Führungsaufgaben habe ich schon sehr jung übernommen. Da habe ich mir über all dies keine Gedanken gemacht. Ich habe einfach gemacht.

Frage: Welche Führungsaufgaben sind für Sie besonders wichtig?

Mustafa Koc: Eine der wesentlichen Aufgaben ist es, gute Mitarbeiter auszuwählen. Und wenn die Mitarbeiter da sind, ist es wichtig, diese zu entwickeln und ihnen etwas zuzutrauen. Sie müssen in ihren Aufgaben wachsen können.

Frage: Sie führen in unterschiedlichen Branchen, beispielsweise im Lebensmittelbereich, aber auch im Hotel. Ist Führung für Sie dort unterschiedlich?

Mustafa Koc: Die Branchen und Aufgaben sind verschieden. Aber das Führen ist für mich dort ähnlich. Ich habe einige Grundsätze, die für mich in der Beziehung zu den Mitarbeitern gelten, egal in welcher Branche. Für mich ist es beispielsweise wichtig, dass die Mitarbeiter mir und dem Unternehmen vertrauen können. Beides muss solide sein. Mir ist es auch wichtig, mich immer wieder mit meinen Mitarbeitern zusammenzusetzen, mit ihnen zu reden und nicht hochnäsig zu sein.

Für mich sind die Mitarbeiter wie eine Familie. Deswegen habe ich beispielsweise in der Coronazeit auf Kurzarbeit und Entlassungen verzichtet. Die Mitarbeiter hätten dann durch ein geringeres Einkommen Probleme gehabt. Sie müssen aber weiter ihre Miete bezahlen und haben finanzielle Verpflichtungen. Daher habe ich die Mitarbeiter in den Zeiten einer geringen Hotelbelegung damit beauftragt, andere Aufgaben zu übernehmen oder die Arbeitszeitkonten flexibel genutzt. Mir ist es wichtig, die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu kennen und zu berücksichtigen.

Frage: Was sind für Sie No-Gos in der Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern?

Mustafa Koc: Es gibt wenige Dinge, die ich nicht akzeptieren kann. Eines davon ist Diebstahl. Da ist auch der Betrag egal, ob es fünf oder fünftausend Euro sind. Bei so etwas ist das Vertrauen zerstört. Zusammenarbeiten kann ich nur, wenn es Vertrauen von beiden Seiten gibt; von mir und von den Mitarbeitern. Zum anderen erwarte ich Loyalität und einen guten Umgang mit Vertraulichkeit. Betriebliche Angelegenheiten müssen im Unternehmen bleiben.

Frage: Sie führen deutsche und türkische bzw. türkischstämmige Mitarbeiter. Gibt es für Sie in der Führung
und Zusammenarbeit Unterschiede?

Mustafa Koc: Ich behandele alle Mitarbeiter gleich, egal welcher Nationalität sie sind oder welchen Glauben sie haben. Die deutschen Mitarbeiter sind sehr pflichtbewusst und fleißig. Die türkischen Mitarbeiter fühlen sich manchmal mehr als Teil der Familie, worunter bei einzelnen manchmal die Disziplin etwas leidet. Aber das Familiäre ist Teil unserer Kultur. Und wenn es nicht ganz so läuft, dann reden wir miteinander und dann läuft es auch wieder. So wie in jeder guten Familie. Wir sind sehr sozial, egal aus welchem Land jemand kommt. Wir kümmern uns auch um die Mitarbeiter, wenn sie Probleme haben oder Hilfe brauchen. Wir haben beispielsweise lange Zeit nach Feierabend einen Auszubildenden nach Hause gefahren, da er keine gute Fahrgelegenheit hatte. Da lassen wir niemanden im Stich.

Herr Koc, vielen Dank für das Gespräch.