Wenn Organisationen Informationen austauschen, birgt das für beide Seiten Risiken: Die Organisation, die Informationen bereitstellt, könnte diese verändern, um sich selbst Vorteile zu verschaffen (Informationsmanipulation). Umgekehrt besteht die Gefahr, dass die empfangende Organisation vertrauliche Daten insofern missbraucht, als sie diese – zum Schaden der bereitstellenden Organisation – für andere Zwecke als vereinbart einsetzt (Informationsraub).
Ansatz der Forscher berücksichtigt Bedarfe beider Parteien
Unter dem Titel „And No One Gets the Short End of the Stick: A Blockchain-Based Approach to Solving the Two-Sided Opportunism Problem in Inter-Organizational Information Sharing“ stellen Prof. Dr. Arne Buchwald und seine Kollegen einen Lösungsansatz für dieses Dilemma vor. Das Besondere an ihrem Ansatz: Während Informationsmanipulation und Informationsraub bislang getrennt voneinander behandelt wurden, begreifen die Forscher beide Fälle als zwei Seiten einer Medaille und berücksichtigen in ihrem Informationssystem die Bedarfe beider Parteien. Denn: Wenn mögliche Maßnahmen nur auf einer Seite greifen, erhöht das den Opportunismus der jeweils anderen Partei, die dann beispielsweise keine sensiblen Daten mehr weitergeben wird oder sich nicht mehr auf empfangene Informationen verlässt. Dies unterminiert Kooperationspotenziale und verhindert unter Umständen Wertschöpfung.
Weniger Risiko, höhere Kooperationsbereitschaft
Deshalb entwarfen und implementierten die Forscher ein Informationssystem, das in der Lage ist, sowohl Informationsmanipulation als auch -raub zu verhindern. Möglich wird dies, indem Informationen zum Einsatz kommen, die aus sensiblen Daten abgeleitet wurden – ohne die zugrunde liegenden Daten preiszugeben. Auf diese Weise können Organisationen auch diejenigen Daten miteinander teilen, die ihnen andernfalls zu heikel erscheinen. Insgesamt kann sich so die Bereitschaft beider Organisationen erhöhen, sich auf gemeinsame Informationen zu verlassen und auch vertrauliche Daten auszutauschen.
Viele weitere Branchen jenseits des Maschinen- und Anlagenbaus betroffen
Weitere mögliche Anwendungsfelder der Lösung liegen im Supply Chain Management, im IT-Outsourcing sowie in Kooperations- und Wettbewerbsbeziehungen (Coopetition) zwischen Anbietern. So verlangen etwa Abnehmer in Liefernetzwerken zunehmend Zertifizierungen von Zulieferern entlang der gesamten Lieferkette. Zulieferer könnten jedoch zögern, detaillierte Informationen bereitzustellen, da sie befürchten, dass der Abnehmer in ihr Geschäftsfeld eindringt. In solchen Fällen kann das entwickelte Informationssystem dabei helfen, verlässliche Nachweise über Qualität und Compliance bereitzustellen, ohne mehr Informationen preiszugeben als unbedingt erforderlich.
Die Studie wurzelt im durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Forschungsprojekt „Pay-per-Stress“ (Förderlinie: „Smarte Datenwirtschaft“; Förderkennzeichen: 01MD19011), das sich mit belastungsorientierten, datenbasierten Bezahlmodellen im Maschinenbau beschäftigte. Im Rahmen des Machbarkeitsnachweises (Proof of Concept) wurde ein System im Fertigungssektor entwickelt und implementiert, das Leasingverträge für Werkzeugmaschinen auf Basis von Verschleißdaten erleichtert. Mehrere Evaluierungen mit Technologie- und Business-Experten bestätigten die Wirksamkeit der Lösung. Darüber hinaus zeigte eine groß angelegte Branchenumfrage in der verarbeitenden Industrie in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit 85 Organisationen, die Werkzeugmaschinen nutzen, und 77 Leasinggeber den Nutzen der Lösung (Proof of Value) auch über den ursprünglichen Anwendungskontext hinaus auf.
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Lukas Florian Bossler; Arne Buchwald; Kai Spohrer (2024): And No One Gets the Short End of the Stick: A Blockchain-Based Approach to Solving the Two-Sided Opportunism Problem in Interorganizational Information Sharing. Information Systems Research 0(0).
Online unter: https://pubsonline.informs.org/doi/full/10.1287/isre.2022.0065
Ansprechpartner
Prof. Dr. Arne Buchwald