Was diese Partnerschaft ausmacht, hat uns die iranische Wissenschaftlerin Zahra Meidani, Professorin an der KAUMS, im Interview berichtet: Sie war von Januar bis Juli 2020 an der HNU zu Gast und erzählt uns rückblickend, wie sie den Aufenthalt erlebt hat, wo in ihren Augen die signifikanten Unterschiede zwischen iranischen und deutschen Hochschulen liegen und was sie aus ihrer Zeit an der HNU mitgenommen hat.
Zur Person
Zahra Meidani machte 2012 ihren Abschluss in Gesundheitsinformationsmanagement an der Medizinischen Universität in Teheran und war vor ihrer Promotion als Dozentin an der Hormozgan University of Medical Science im Iran tätig. Seit 2016 ist sie Professorin am Forschungszentrum für Health Information Management (HIM) der KAUMS. Meidanis Forschungsschwerpunkt liegt in der Anwendung von Informationstechnologie im Nutzungsmanagement von Gesundheitsdienstleistungen.
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Eine produktive Pause vom Arbeitsalltag an der KAUMS: Der Lehr- und Forschungsaufenthalt an der HNU
Ein normaler Arbeitstag beginnt bei der iranischen Professorin erst einmal mit einem Blick auf die KAUMS-Website, um auf dem Laufenden darüber zu bleiben, was an ihrer Universität aktuell los ist.
Dann folgen etliche persönliche Meetings – zumindest vor Corona-Zeiten nach wie vor die gängigste Kommunikationsform im Iran, sagt sie. Darunter fallen auch Beratungstermine mit ihren Studierenden, vor allem mit den Erstsemestern: Meidani unterstützt sie darin, ihre Studienziele zu erreichen, ermuntert sie, regelmäßig an den Lehrveranstaltungen teilzunehmen und fördert sie in ihrer sozialen Entwicklung. Auch in die Betreuung von Promovenden des Health Management Institute (HIM) und denjenigen Postgraduierten, die an der KAUMS im HIM-Master studieren, ist die Iranerin eingebunden. Sie begleitet die Studierenden bei der Entwicklung von Forschungsvorhaben und Studiendesigns, unterstützt bei Datensammlungen und hilft bei der Manuskripterstellung.
Im Januar 2020 setzt Meidani diesen Arbeitstag dann für ein paar Monate aus: Sie entschließt sich, ein sechsmonatiges Sabbatical an der HNU einzulegen.
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Drei gute Gründe für einen Aufenthalt an der HNU: Gelebte Internationalität, viele interdisziplinäre Kooperationsmöglichkeiten und das Institut DigiHealth
Für diese Wahl gab es gleich mehrere Gründe, erklärt uns die iranische Wissenschaftlerin. Ein wichtiger Punkt sei die internationale Ausrichtung der HNU gewesen: „Die HNU hat weltweit mehr als einhundert Partnerhochschulen. Hier als Gastprofessorin oder Gastprofessor zu arbeiten, ist eine großartige Chance, um die eigene Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen auf der ganzen Welt auszubauen“.
Zudem war es ihr ein Anliegen, den Letter of Intent (LOI), der 2017 zwischen der HNU und der KAUMS abgeschlossen wurde, voranzutreiben und die Verbindung zwischen beiden Hochschulen zu vertiefen. „Der LOI“, sagt Meidani, „bestand vor meinem Aufenthalt vor allem auf dem Papier – durch mein Sabbatical an der HNU wurden hier neue Impulse gesetzt“.
Ausschlaggebend war dann vor allem auch das HNU-Institut DigiHealth: „Für jemanden wie mich, deren Forschung sich auf die IT-Einführung in die Praxis des Gesundheitswesens konzentriert“, erläutert Meidani, „war das Institut DigiHealth mit Prof. Dr. Swoboda und seinen hochqualifizierten Mitarbeitenden ein echter Glücksfall“.
Ingesamt sei die Vielfalt der an der HNU vertretenen Disziplinen vom Gesundheitsmanagement über das Informationsmanagement bis hin zu den Wirtschaftswissenschaften ein einflussreicher Faktor gewesen, sagt Meidani. Sie habe ihr etwa die Möglichkeit geboten, unter der Leitung von Professor Dr. Elmar Steurer an ökonomischen Aspekten der Gesundheitsversorgung zu arbeiten: „Diese disziplinäre Vielfalt fördert interdisziplinäre Lehre und Forschung in Richtung 'next generation university'“.
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(K)ein Kulturschock? Meidanis Empfang in Neu-Ulm und die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem iranischen Hochschulsystem
Als Meidani ein Stipendium des Iranischen Gesundheitsministeriums erhält und den Aufenthalt an der HNU organisiert, braucht sie erst einmal ein gültiges Visum – ein Prozess, der sich langwieriger gestaltet als gedacht. Glücklicherweise, so erzählt sie, habe sie dabei große Unterstützung aus Neu-Ulm erhalten: „Meinen Aufenthalt an der HNU verdanke ich dem Engagement der Präsidentin und ihrer Assistentin, die sich prompt um das Problem gekümmert und es in Korrespondenz mit der deutschen Botschaft im Iran gelöst haben“. In Deutschland angekommen habe ihr dann vor allem das International Office (IO) das Einleben erleichtert und einen möglichen Kulturschock gleich aufgefangen, sagt Meidani: Ob Visumsverlängerung oder praktische Fragen während ihres Aufenthalts, das IO sei ihr stets ein hilfreicher Ansprechpartner gewesen.
Der größte Unterschied zwischen iranischen und deutschen Hochschulen? Den sieht die Gesundheitswissenschaftlerin in den staatlichen Supportstrukturen. „Im Iran ist nur das Gesundheitsministerium, nicht aber das Wissenschaftsministerium in die Ausbildung von medizinischem Personal involviert – und darunter fallen sowohl praktische Medizinerinnen und Mediziner als auch Expertinnen und Experten im Gesundheitsmanagement oder der Gesundheitsinformationstechnologie“, erläutert Meidani. Außerdem sei an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften wie der HNU der Anteil an Industriekooperationen und praxisorientierter Lehre naturgemäß höher als an Universitäten wie der KAUMS: „An der HNU liegt in dritter oder vierter Hochschulgeneration der Schwerpunkt auf Innovation und Entrepreneurship sowie auf marktorientierten und interdisziplinäre Studien. Die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Industrie wird intensiv gefördert. Ich hoffe, dass die KAUMS gegenwärtig auch in diesem Übergang zu einer Hochschule der dritten Generation steckt“.
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Was das Gesundheitssystem grundsätzlich betrifft, so sei die elektronische Gesundheitsakte in beiden Ländern noch nicht vollständig realisiert und nach wie vor etliche – soziale, organisatorische, rechtliche oder ethische – Fragen offen, die geklärt werden müssen. „In Deutschland versprechen die stabile Infrastruktur und der Stand der Technik aber einen Quantensprung, sobald diese Barrieren erst einmal überwunden sind“, prognostiziert Meidani.
Die iranische Wissenschaftlerin beschreibt ihren Aufenthalt rückblickend als persönlich wie auch fachlich bereichernd. „Was mich am meisten beeindruckt hat“, erzählt sie, „war die enorme Einsatzbereitschaft, mit der man mich hier gefördert und für meinen erfolgreichen Aufenthalt gesorgt hat“. Überrascht habe sie die strukturierte Unterstützung allerdings nicht: „Die Deutschen sind ja bekannt dafür, gut organisiert und diszipliniert zu sein…“.
Neben dem tief verwurzelten Kooperationsgedanken ist Meidani auch etwas aufgefallen, was sie unter „embracing cultural diversity“ zusammenfasst: die besondere Sensibilität für kulturelle Unterschiede an der HNU. Ein Erlebnis ist ihr dabei nachhaltig in Erinnerung geblieben: „Ich war zu Besuch in der Mensa, als eine Mitarbeiterin, der wohl mein Kopftuch aufgefallen war, versuchte, mir zu erklären, dass im Tagesmenü Schweinefleisch enthalten war. Ich verstand kein Deutsch – aber sie gab nicht auf und bat extra einen Kollegen herbei, der besser Englisch sprach als sie“. Kulturelle Sensibilität, sagt Meidani, sei eine Kompetenz, die von Lehrenden in einer zunehmend globaleren Welt und im Rahmen wachsender Internationalisierungsaktivitäten immer nötiger werde – deren Aneignung aber auch Zeit und intensive Bemühungen brauche.
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Im Rückreisegepäck: ein tieferes Verständnis für globale Trends und viele Ideen für weitere Kooperationen und transnationale Forschung
Am meisten vom HNU-Aufenthalt profitiert habe ihr Verständnis für globale Trends und Megatrends, sagt Meidani: „Mir ist klargeworden, dass man ein international erfolgreiches Kooperationsprojekt nicht ‚lokal‘ denken kann“. Während ihres Aufenthalts kümmerte sich Meidani entsprechend intensiv darum, die Kooperationsaktivitäten zwischen der KAUMS und der HNU voranzutreiben: Gemeinsam mit ihren Neu-Ulmer Kollegen Prof. Dr. Elmar Steurer (öffnet neues Fenster), Prof. Dr. Walter Swoboda (öffnet neues Fenster) und Felix Holl arbeitete sie an zwei DAAD-Projekten und lotete weitere Kooperationsmöglichkeiten und Anknüpfungspunkte zwischen den beiden Hochschulen aus. „Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut – wir brauchen natürlich noch etwas Zeit, um weitere Projekte zu realisieren“, betont Meidani – die sich aber sicher ist, dass diese Partnerschaft künftig weiterhin produktiv ausgebaut wird: "Gemeinsam decken die KAUMS und die HNU die Schwerpunkte der deutschen Förderorganisationen im Bereich Medizin und Public Health ab".
Persönliches
Was machen Sie am liebsten, wenn Sie nicht gerade lehren und/oder forschen?
Lesen, Sightseeing, Rafting und Bergsteigen.
Mein Fachgebiet in wenigen Worten:
Die Anwendung von Informationstechnologie im Nutzungsmanagement von Gesundheitsdienstleistungen
Die HNU ist …
… eine zweite Heimat und eine Freundin
Diesen Satz höre ich von meinen Studierenden am liebsten:
Dass ich sie inspiriere, ein Vorbild sei und kreativ wäre
Meine aktuelle Lektüre:
„Speak to Win: how to present with power in any situation“ von Brian Tracy
Meine nächste Publikation ...
... wird im Bereich Anwendung von Informationstechnologie im Nutzungsmanagement von Gesundheitsdienstleistungen sein