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HNU Health­ca­re Ma­nage­ment In­sights #13

03.04.2024, Dia­lo­ge :

In der Interviewserie befragt Prof. Dr. Patrick Da-Cruz wechselnde Expertinnen und Experten zu aktuellen Themen aus dem Gesundheitsbereich. In dieser Folge spricht er mit Silvana Lamparska und Anna Windisch, Mitarbeiterinnen des Schweizer Start-ups Qumea, zum Thema Digitalisierung der Pflege durch Mobilitätsmonitoring. 

Die Ge­sprächs­part­ner

Prof. Dr. Patrick Da-Cruz ist Professor für Betriebswirtschaftslehre und Gesundheitsmanagement an der Fakultät Gesundheitsmanagement der Hochschule Neu-Ulm (HNU) sowie wissenschaftlicher Leiter des MBA-Programms Führung und Management im Gesundheitswesen.
Vor seiner Tätigkeit an der HNU war Herr Da-Cruz bei namhaften Strategieberatungen im Bereich Pharma / Healthcare sowie in Führungsfunktionen in Unternehmen der Gesundheitswirtschaft im In- und Ausland tätig.

Prof. Dr. Patrick Da-Cruz

Anna Windisch ist eine erfahrene MedTech-Marketerin mit über 15 Jahren Expertise in Gesundheitsstrategie, Innovation und Geschäftsentwicklung. Sie leitete 8 Jahre lang globale interdisziplinäre Teams bei Philips, spezialisiert auf die Patientenüberwachung im Akutbereich. Vor ihrem Start als Chief Marketing Officer bei QUMEA hat Anna drei Jahre lang erfolgreich digitale Gesundheits-Startups aufgebaut. Anna hat einen MSc / Dipl.-Ing. (BA) in Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Marketing & Strategie von der Ludwig-Maximilians-Universität München und einen Bachelor of Arts in Betriebswirtschaftslehre von der Dualen Hochschule Lörrach.

Anna Windisch

Silvana Lamparska ist eine erfahrene Pflegefachkraft mit über 20 Jahren Expertise im klinischen Setting. Nach ihrem berufsbegleitenden Bachelorstudium Management für Gesundheits- und Pfegeberufe an der HNU war sie zunächst als Referentin der Pflegedirektion und anschließend 5 Jahre als Bereichsleitung für die Orthopädische Universitätsklinik und das Zentrum für Integrierte Rehabilitation der Phase D an den RKU – Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm beschäftigt. In dieser Zeit absolvierte sie berufsbegleitend an der HNU das MBA Studium im Bereich Digital Leadership und IT-Management. Als Customer Success Manager verantwortet sie hier den Gesamtprozess der Technologieeinführung vom Onboarding bis zum Followup beim Kunden.

Silvana Lamparska

Was versteht man grundsätzlich unter digitaler Prävention?

Anna Windisch: Unter Digitaler Prävention verstehen wir den Einsatz von Technologie, insbesondere digitaler Lösungen wie Software, Apps und Geräte, um Krankheiten und Verletzungen vorzubeugen, die Gesundheit zu fördern und die Sicherheit von Patientinnen und Patienten zu verbessern. Diese Technologien können in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens eingesetzt werden, um Risiken zu identifizieren, Frühwarnsysteme zu implementieren und interventionelle Maßnahmen zu unterstützen.

Welche digitalen Präventionsangebote nutzen Kliniken und Pflegeeinrichtungen, um die Patientensicherheit zu erhöhen?

Silvana Lamparska: Kliniken und Pflegeeinrichtungen stehen heute eine Vielzahl digitaler Präventionsangebote zur Verfügung, um die Patientensicherheit zu erhöhen. Diese Angebote reichen von einfachen Softwarelösungen bis hin zu komplexen Systemen, die verschiedene Schwerpunkte der Patientenversorgung adressieren. Als Beispiel lassen sich digitale sensorbasierte Assistenzsysteme im Bereich des Inkontinenzmanagements, sowie der Vermeidung von Stürzen und der Entstehung von Dekubiti nennen, welche in verschiedensten Ausführungen auf dem Markt zu finden sind. Ein weiteres Beispiel stellt die digitale Patientenakte dar. Diese leistet einen Beitrag zur Prävention von Komplikationen, indem wichtige Informationen wie die medizinische Vorgeschichte, aktuelle Diagnosen, die Medikation und Allergien zentral gespeichert, lesbar, on demand, mobil und leicht zugänglich sind. Die zusätzliche Nutzung eines Arzneimitteltherapiesicherheitstools reduziert zudem das Risiko von Medikationsfehlern. Digitale smarte Überwachungssysteme ermöglichen mittlerweile beispielsweise auch eine kontinuierliche Überwachung der vitalen Parameter von Patientinnen und Patienten, wie etwa Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffsättigung, im Peripheriebereich eines Krankenhauses. Diese Systeme können frühzeitig Anzeichen von Verschlechterungen erkennen und Alarme auslösen, um das Pflegepersonal zu informieren. Aber auch digitale Schulungs- und Lernplattformen implizieren einen Beitrag zur Prävention. Onlinebasierte Trainings und Fortbildungen für das medizinische Personal stärken die Kenntnisse und Fähigkeiten und helfen so, die Patientensicherheit zu verbessern und die Qualität der Versorgung zu steigern.

Ein besonderer Bereich im Rahmen der Prävention in stationären Einrichtungen ist die Sturzprävention. Welche Relevanz hat das Thema Sturzprävention im deutschen Gesundheitswesen?

Silvana Lamparska: Die Sturzprävention spielt eine entscheidende Rolle im deutschen Gesundheitswesen, insbesondere in stationären Einrichtungen wie Krankenhäusern und Pflegeheimen. Stürze können schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben und sind eine der häufigsten Ursachen für Verletzungen bei älteren Menschen sowie bei Patientinnen und Patienten mit bestimmten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Allein in Deutschland stürzen jedes Jahr mehr als 200.000 Patientinnen und Patienten in deutschen Krankenhäusern.

Zudem werden jährlich mindestens 15% ältere und schwerkranke Menschen aufgrund eines Sturzereignisses im häuslichen Umfeld oder im Pflegeheim einer Krankenhausbehandlung zugeführt. Neben den physischen und psychischen Folgen für die Betroffenen können sturzassoziierte Folgen zu erheblichen Kosten führen, sowohl durch die direkte erforderliche medizinische Behandlung als auch durch eine sich gegebenenfalls anschließende Rehabilitationsmaßnahme und ein sich daraus entwickelnden Pflegebedarf.

Ebenso stellen Stürze auch eine Belastung für das Pflegepersonal dar. Zum einen muss der mit einem Sturz einhergehende Aufwand personell getragen werden zum anderen macht ein Sturz auch was mit dem psychischen Befinden beim Pflegepersonal. All diesen negativen Auswirkungen gilt es mit einem multimodalen Ansatz aktiv entgegenzuwirken, um Stürze zu vermeiden.

Welche (digitalen) Angebote zur Sturzprophylaxe existieren derzeit?

Anna Windisch: Aktuell existieren verschiedene digitale Angebote zur Sturzprophylaxe. Ein Beispiel sind die weit verbreiteten Klingelmatten, die einen Alarm auslösen, sobald sie berührt werden. Allerdings ist es dann oftmals schon zu spät, da die Patientin oder der Patient in der Regel in dem Fall das Bett bereits verlassen hat. Zudem stellt dies Lösung nicht selten auch ein zusätzliches Gefährdungspotenzial in Form einer Stolperfalle dar.

Ebenso gibt es kamerabasierte technologische Lösungen oder auch Systeme mit optischen Sensoren, die Patientinnen und Patienten überwachen. Diese sind wiederum datenschutzrechtlich nicht unbedenklich, da sowohl Patientinnen und Patienten als auch Personal und Besucher gefilmt werden. Daher distanzieren wir uns davon und messen Bewegungen komplett anonym mit Radartechnologie. Unsere künstliche Intelligenz nutzt die Bewegungsdaten und erkennt, ob eine Patientin oder ein Patient gestürzt ist oder erst eine Aufstehintention zeigt. So können Stürze proaktiv verhindert werden, und gleichzeitig ist die Privatsphäre DSGVO-konform geschützt.

QUMEA bietet ein umfassendes System zur Sturzprävention und zum Mobilitäts-Monitoring in Krankenhäusern & Pflegeeinrichtungen. Wie kann man dieses System einsetzen? Wo wird es bereits eingesetzt?

Silvana Lamparska: QUMEA kann in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen eingesetzt werden, um die Sturzprävention zu verbessern, die Sturzrettungszeit im Eintrittsfall zu minimieren und ein Mobilitäts-Monitoring von Patientinnen und Patienten zu ermöglichen.

Die Überwachung erfolgt dabei diskret, kontaktlos und anonym über einen Sensor an der Decke, sprich es muss nichts patientenseitig oder patientennah angebracht werden. Das System umfasst den 3D-Radarsensor, der Bewegungen im Raum erfasst, und nutzt eine komplexe Algorithmik sowie künstliche Intelligenz, um kritische Situationen wie den unbeaufsichtigten Bettausstieg oder Stürze zu erkennen. Die Pflegekräfte werden in Echtzeit informiert, sodass diese proaktiv handeln können, um Stürze zu verhindern. Ebenso ist das System in der Lage, zu erkennen, ob sich eine Patientin oder ein Patient ausreichend mobilisiert hat. Diese Funktion unterstützt die Prävention von Druckgeschwüren (Dekubiti).

Anna Windisch: QUMEA wird bereits in über 80 verschiedenen Kliniken und Pflegeeinrichtungen eingesetzt, sowohl in Deutschland als auch international: u.a. in der Hirslanden Gruppe, der Universitäre Altersmedizin Felix Platter Basel, dem Universitätsklinikum Mannheim, der Universitätsklinik Balgrist oder der Schulthess Klinik Zürich. Diese Institutionen nutzen QUMEA zur Sturzprävention und zum Mobilitäts-Monitoring, um die Sicherheit ihrer Patientinnen und Patienten zu verbessern und die Effizienz des Pflegepersonals zu steigern.

Vielen Dank für das Gespräch!