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HNU Health­ca­re Ma­nage­ment In­sights #3

01.08.2023, Dia­lo­ge :

In der Interviewserie befragt Prof. Dr. Patrick Da-Cruz wechselnde Expertinnen und Experten zu aktuellen Themen aus dem Gesundheitsbereich. Die aktuelle Folge mit Rüdiger Müller, Unternehmensberater im Gesundheitswesen, dreht sich um das Thema Krankenhauseinkauf. 

Die Ge­sprächs­part­ner

Prof. Dr. Patrick Da-Cruz ist Professor für Betriebswirtschaftslehre und Gesundheitsmanagement an der Fakultät Gesundheitsmanagement der Hochschule Neu-Ulm (HNU) sowie wissenschaftlicher Leiter des MBA-Programms Führung und Management im Gesundheitswesen.
Vor seiner Tätigkeit an der HNU war Herr Da-Cruz bei namhaften Strategieberatungen im Bereich Pharma / Healthcare sowie in Führungsfunktionen in Unternehmen der Gesundheitswirtschaft im In- und Ausland tätig.

Prof. Dr. Patrick Da-Cruz

Rüdiger Müller war zehn Jahre lang im Bereich Management und Einkauf bei diversen Kliniken tätig. Parallel engagierte er sich ehrenamtlich im Einkäuferverband Femak e.V. , davon acht Jahre als Bundesvorsitzender. Seit 2012 unterstützt Rüdiger Müller als selbstständiger Unternehmensberater Kunden bei der Verbesserung des Klinikeinkaufs (https://klinikeinkauf-verstehen.de/). Der Experte ist Diplom-Betriebswirt (FH)  und absolvierte den Bachelor Gesundheits- und Sozialwesen (Social BBA) sowie eine Zusatzqualifikation in Logistikmanagement.  

Porträtbild Rüdiger Müller
Rüdiger Müller

Mit welchen Herausforderungen ist der Krankenhauseinkauf derzeit konfrontiert? 

Rüdiger Müller: Wie nahezu jede Branche hat natürlich auch das Gesundheitswesen und der Klinikeinkauf mit den Auswirkungen vergangener und aktueller Krisen zu kämpfen. Neben Inflation und instabilen Lieferketten stehen die Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz usw. immer mehr auf der Agenda. Ergänzend dazu leiden die Kliniken immer mehr darunter (die Lieferanten natürlich wesentlich mehr), dass regulatorische Anforderungen (MDR) dazu führen, dass Lieferanten Produkte aus dem Markt nehmen und sich ganz zurückziehen. Somit bleiben bisweilen auch technologische Entwicklungen auf der Strecke bzw. werden nicht mehr eingeführt, wie eigentlich erforderlich. Kleinere Unternehmen haben es immer schwerer, auf dem Markt zu bestehen.

Welche Ziele dominieren im Krankenhauseinkauf?

Rüdiger Müller: Eigentlich sollten strategische Ziele wie die Optimierung der Lieferketten und Konzepte für Digitalisierung und Nachhaltigkeit dominieren, aber nach wie vor ist das Thema Kosteneffizienz Primärziel des Klinikeinkaufs. Was aus meiner Sicht in den vergangenen Jahren schon besser geworden ist (vielleicht auch durch die dauerhaft anhaltenden Krisen), ist die Zusammenarbeit zwischen Anwenderinnen und Anwendern, Controlling und Einkauf. Ich denke, jeder hat irgendwie verstanden, dass das Wunschprodukt nicht wie früher immer zum wirtschaftlichsten Preis sofort verfügbar ist. Jeder hat gelernt, die andere Sichtweise besser zu verstehen und Kompromisse zu machen.

Welche Rollen spielen strategische Partnerschaften im Krankenhauseinkauf?

Rüdiger Müller: Natürlich machen strategische Partnerschaften für den Klinikeinkauf Sinn. Die Reduzierung von Lieferanten und Artikeln, die Optimierung von Prozessen von der Bestellung bis zur Bezahlung sind da sicherlich einige Schlagworte. Ebenso kann ich mit einem Value-Based-Procurement-Ansatz Innovationen in der Zusammenarbeit mit einem Lieferanten fördern und Risiken hinsichtlich Versorgungssicherheit minimieren.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Je mehr strategische Partnerschaften, desto schwerer werden es die Wettbewerber haben, entsprechend wahrgenommen zu werden und ihre Produkte in der Klinik zu platzieren. Das trifft v.a. die kleineren Unternehmen. Denn habe ich als Klinikeinkäufer mit einem Unternehmen in einer Warengruppe / Produktportfolio eine (erfolgreiche) strategische Partnerschaft, ist eine Ausdehnung auf andere Warengruppen nicht aus der Welt (Stichwort Bündelung, um möglichst viele Boni zu erhalten).

Welche Skills braucht eine Führungskraft im Krankenhauseinkauf zukünftig?

Rüdiger Müller: Im Prinzip muss die Führungskraft die „eierlegende Wollmilchsau“ sein: strategisches und analytisches Denken kombiniert mit Hands-On-Mentalität, möglichst kommunikativ und kooperativ, aber an manchen Stellen bitte nicht zu viel („Operieren Sie oder ich?“). Ideal wäre ein topausgebildeter Stratege mit ausgeprägten sozialen Kompetenzen gepaart mit überdurchschnittlichen Kenntnissen im Bereich Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Wissen im Bereich Compliance / rechtliche Rahmenbedingungen. Da die Vergütung im Krankenhaus im Vergleich zu anderen Branchen eher unterdurchschnittlich ist, verwundert es nicht, dass die Rekrutierung und Bindung derartiger Führungskräfte sehr herausfordernd ist.

Wird die Einkaufsleitung eines Krankenhauses zukünftig als Chief Procurement Officer im Vorstand bzw. in der Geschäftsführung des Krankenhauses angesiedelt sein?

Die zukünftige Rolle der Einkaufsleitung als CPO im Vorstand oder in der Geschäftsführung hängt im Wesentlichen von der spezifischen Ausrichtung und Strategie des Krankenhauses ab. Will ich einen Strategen, der auf Augenhöhe mit anderen Verantwortungsbereichen im Klinikum Entscheidungen trifft und diese dann auch durchsetzen kann? Will ich einen Klinikeinkauf, der mit den Themen der Zeit geht oder gehen darf, Innovation und technologischen Fortschritt nach vorn treiben soll? Falls ja, muss ich entweder eine solche Person erst einmal finden oder versuchen, diesen Bedarf aus meinen eigenen Reihen zu decken. Aber ich habe leider noch nie von einem „Trainee-Programm Klinik-CPO“ gehört.

Welche Konsequenzen ergeben sich für den Krankenhauseinkauf aus dem Thema Nachhaltigkeit?

Rüdiger Müller: Ich denke, es gibt kaum noch Menschen, die das Thema Nachhaltigkeit nicht als DAS Thema unserer Zeit sehen. In einer aktuellen Umfrage einer bekannten Unternehmensberatung bewerteten 90 % aller Klinik-Geschäftsführungen das Thema Nachhaltigkeit als wichtig bis sehr wichtig. Auf der anderen Seite stand das Thema Kostenreduzierung im medizinischen Sachbedarf immer noch an zweiter Stelle. Das macht es für den Klinikeinkauf nicht einfacher: nachhaltig, aber nicht teurer einzukaufen ist m.E. aktuell noch ein Teufelskreis. Es würde einen Nachhaltigkeits-Fonds erfordern (ähnlich wie beim Krankenhauszukunftsgesetz), um den wirtschaftlichen Druck aus dem Thema Nachhaltigkeit bei der Beschaffung von Medizinprodukten zu nehmen, innovative Produkte und Unternehmen auf den Markt kommen zu lassen und somit langfristig dafür zu sorgen, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit Hand in Hand gehen.

Vielen Dank für das Gespräch!