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Im Ver­hand­lungs­ring mit ei­ner KI: Das vir­tu­el­le Ver­hand­lungs­trai­ning „Beat the Bo­t“

11.03.2022, Nach­ge­forscht :

Spracherkennung, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen in einer Virtual-Reality-Umgebung: Mit dieser innovativen Mischung wartet das preisgekrönte virtuelle Verhandlungstraining des InnoSÜD-Teilprojekts „Sales Lab“ auf, das am Kompetenzzentrum für Wachstums- und Vertriebsstrategien (KWV) der Hochschule Neu-Ulm (HNU) durchgeführt wird. Wir haben uns mit Projektmitarbeiter Jan Fiedler darüber unterhalten, wie das virtuelle Verhandlungstraining zustande kam, an welcher Studie das Team aktuell arbeitet und mit welchem Feature „Beat the Bot“ künftig universeller einsetzbar werden soll.
 

Jan Fiedler ist seit 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HNU. Sein Arbeitsgebiet umfasst alles, was mit Augmented und Virtual Reality zu tun hat – so widmet er sich im InnoSÜD-Teilprojekt „Mixed-Reality-Konzepte“ unter anderem der Frage danach, wie sich Wissenstransfer mit Methoden der Mixed Reality gestalten lässt. Außerdem unterstützt er andere Teilprojekte in diesem Bereich, so etwa beim Aufbau des Mixed-Reality-Labors im Innovation Space. Das virtuelle Verhandlungstraining „Beat the Bot“ des Teams um Prof. Dr. Alexander Kracklauer, Barbara Dannenmann und Jan Fiedler entstand im Teilprojekt „Sales Lab“, das sich mit innovativen Methoden im Vertrieb beschäftigt.

Projektmitarbeiter Jan Fiedler im virtuellen Verhandlungstraining

Beat the Bot

Das virtuelle Verhandlungstraining (öffnet neues Fenster)  des InnoSÜD-Teilprojekts „Sales Lab“ wurde am Kompetenzzentrum für Wachstums- und Vertriebsstrategien (KWV)der HNU gemeinsam mit dem Firmenpartner TriCAT GmbH entwickelt. Der Prototyp ermöglicht es, am virtuellen Verhandlungstisch mit einem Bot ins Gespräch zu kommen. Durch die Verbindung von Spracherkennung, künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen in VR-Umgebung lassen sich so natürliche Verhandlungssituationen simulieren, die zeit- und ortsungebunden im Vertriebstraining eingesetzt werden können. 

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Wie kamt ihr auf die Idee, eine virtuelle Verhandlungssimulation zu entwickeln?

Am Kompetenzzentrum beschäftigen wir uns in Lehre und Forschung seit über zehn Jahren mit dem Thema Verhandlungstheorie. Unser Ziel ist es, Trainingsabläufe in diesem Bereich mit einem KI-gesteuerten VR-Training zumindest zum Teil zu automatisieren. Für die Technologie- und Vertriebsexpertise sorgten unsere Praxispartner Tricat und ZwickRoell: Tricat brachte und bringt das Know-How in Softwareentwicklung und KI/Maschinelles Lernen ein, ZwickRoell sein Know-how im Bereich Verhandlungen.

Meine Kollegin Barbara Dannenmann führte Kreativworkshops mit Design-Thinking-Methoden durch, um verschiedene Ideen für innovative Vertriebsmethoden zu entwickeln. Schnell stellte sich heraus: Im Vertriebstraining gibt es diverse Schulungen, an deren Ende meist das Einüben via Rollenspiel steht – doch im Grunde hat niemand so wirklich Lust auf diese Rollenspiele. Man muss sich verstellen, obwohl man die „Verhandlungspartner“, also seine Kolleginnen und Kollegen, ja gut kennt, und die Kosten für Rollenspiele machen bis zu 40% des Weiterbildungsbudgets aus. Wir haben uns deshalb gefragt: Wie könnte man das zu einem virtuellen Training umgestalten? Diese Grundidee entwickelte sich dann sehr schnell weiter, und wir haben erste Testläufe mit VR-Brillen in einer virtuellen Umgebung eingerichtet, in der die Verhandelnden einem Avatar gegenübersitzen. Wichtig dabei war uns, das Setting so natürlich wie möglich zu konzipieren: Man sollte keine künstlichen Dialoge anklicken müssen, sondern mit natürlicher Sprache interagieren können. 

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Was ist das Besondere an "Beat the Bot"?

Unsere Verhandlungssimulation verbindet Spracherkennung, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen in VR-Umgebung miteinander – das ist in dieser Form einzigartig. Im Verhandlungstraining lässt sich ganz natürlich mit den Avataren kommunizieren, und sie antworten ebenso natürlich. So wird der Dialog so echt wie möglich. Unser Partner TriCAT hat das mit seiner Erfahrung in Sachen Software umgesetzt, und so entstand dann Anfang 2020 unser Prototyp. Mit dem haben wir uns auch bei verschiedenen Ausschreibungen beworben – und 2020 zwei Preise verliehen bekommen: Im August wurde „Beat the Bot“ mit dem DIVR Science Award ausgezeichnet, und im Dezember wurde dem Projekt der Community Award des NextReality.Contest in Hamburg verliehen.

Vir­tu­al Rea­li­ty

bezeichnet die Schaffung und Wahrnehmung einer künstlichen, simulierten Wirklichkeit durch spezifische Hard- und Software.

In den computergenerierten Virtual-Reality-Umgebungen (VR) wird die reale Außenwelt gänzlich ausgeblendet, während Augmented Reality (AR) die reale Außenwelt computergestützt um virtuelle Elemente – beispielsweise Hologramme – erweitert.  Mixed Reality (MR) wiederum ermöglicht die Interaktion von virtuellen Elementen und der realen Welt.

Im­mer­si­on

(lat. "immergo": eintauchen, versinken)

In Bezug auf VR bezeichnet Immersion den Grad des "Eintauchens" von Nutzer:innen in eine virtuelle Welt. Je mehr Plausibilitätsillusion (Wie realitätsnah ist die virtuelle Simulation konzipiert?), Ortsillusion (Wie ausgeprägt ist der Eindruck, sich an einem anderen Ort zu befinden?) und Involviertheit (Wie stark sind Interesse und Aufmerksamkeit?) die virtuelle Realität erzeugt, desto stärker  ist der immersive Effekt und desto stärker wird sie als real empfunden.

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Wie ging es mit dem Prototyp weiter – und was sind eure nächsten Schritte?

Nachdem wir den Prototyp auf Herz und Nieren mit unserer Zielgruppe getestet hatten, haben wir eine erste Studie durchgeführt, um das VR-Setting mit einem klassischen Rollenspiel vergleichen zu können. Und wir fanden heraus: Der Lernerfolg bei „Beat the Bot“ ist tatsächlich sogar höher als im „analogen“ Rollenspiel. 

Im Fokus dieser Studie stand vor allem das subjektive Empfinden – in unserer aktuellen Studie möchten wir das nun verstärkt mit Daten unterfüttern und VR und klassisches Rollenspiel vor allem anhand von Körperfunktionsmessungen miteinander vergleichen.  Es geht uns vor allem darum, aufzuzeigen, welchen Mehrwert das virtuelle Verhandlungstraining gegenüber dem klassischen hat. Die Grundidee ist dabei, einen klassischen Schulungsteil über Verhandlungen beizubehalten, den Übungspart aber in VR zu realisieren – das spart Zeit und Geld, weil sich das Training so zeit- und ortsunabhängig durchführen lässt. Man kann es zudem auch ohne VR-Brille am Rechner durchführen und mit den Avataren in den Dialog treten; immersiver ist aber natürlich mit Brille. Die Grundlagentechnik haben wir hinterlegt – nun möchten wir unsere Anwendung mittelfristig um einen Editor erweitern. Aktuell basiert das Verhandlungstraining mit dem Prototyp ja auf einer einzelnen, beispielhaften Verhandlungssituation bzw. -taktik – in diesem Fall die Salami-Taktik –, die man durchspielen kann. Mit dem Editor können Trainerinnen und Trainer die Anwendung künftig selbst auf diverse Verhandlungssituationen anpassen. Damit wären theoretisch sehr vielfältige Konversationssituationen denkbar, von der Gehaltsverhandlung bis hin zum Arztgespräch. Unsere Studie soll im Sommer 2022 erscheinen; die Arbeit am Editor wird vermutlich im Herbst 2022 starten. 

Projekmitarbeitende Barbara Dannenmann und Jan Fiedler

Pro­band:in­nen ge­sucht

In seiner aktuellen Studie sammelt das Beat-the-Bot-Team weiterführende Daten darüber, wie dieses einzigartige technologiegestützte Verhandlungstraining im Vergleich zu präsenzbasiertem Rollenspieltraining auf die Nutzerinnen und Nutzerinnen wirkt. Die Teilnehmenden erhalten neben der Chance, ein KI-gestütztes VR-Training selbst zu erleben, auch eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 15 Euro. Das Experiment findet an mehreren Terminen im März im „Innovation Space“ gegenüber der HNU in der John-F.-Kennedy-Straße 7 in Neu-Ulm statt.

Voraussetzung für eine Teilnahme sind verhandlungssichere Englisch-Kenntnisse; es dürfen keine Erkrankungen aus dem epileptischen Formenkreis vorliegen. Die Studie dauert circa 30 Minuten; Vorkenntnisse im Bereich der Verhandlung sind nicht gefragt. Anmeldungen sind per Mail an kirill.semenkin@hnu.de möglich.

Ge­sprächs­part­ner

Jan Fiedler
Jan Fiedler

Jan Fied­ler

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für für das Gebiet Virtual / Augmented Reality und arbeitet im Projekt InnoPROF für das Teilprojekt "Virtuelle Hochschulmesse".

Wenn ich nicht gerade forsche / arbeite, dann…
... düse ich mit meinem Oldtimer durch das schöne Allgäu.

Meine aktuelle Lektüre:
"Read Player Two" von Ernest Cline.

Mein Fachgebiet in wenigen Worten:
Wissenstransfer mit immersiven Medien

Meine nächste Publikation / mein nächstes Forschungsprojekt wird …
... eine Studie zum Vergleich von VR und Rollenspielen.