Die Gesprächspartner
Patrick Da-Cruz ist Professor für Betriebswirtschaftslehre und Gesundheitsmanagement an der Fakultät Gesundheitsmanagement der Hochschule Neu-Ulm (HNU) sowie wissenschaftlicher Leiter des MBA-Programms Führung und Management im Gesundheitswesen.
Vor seiner Tätigkeit an der HNU war Herr Da-Cruz bei namhaften Strategieberatungen im Bereich Pharma / Healthcare sowie in Führungsfunktionen in Unternehmen der Gesundheitswirtschaft im In- und Ausland tätig.
Roger Jaeckel ist Honorarprofessor an der Fakultät Gesundheitsmanagement und seit 2004 in leitender Funktion in der Gesundheitsindustrie mit Schwerpunkt Gesundheitspolitik, Market und Patient Access tätig. Darüber hinaus ist er Beiratsvorsitzender der HNU in der MBA-Programms Führung und Management im Gesundheitswesen. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und Publikationen die Themen Gesundheitspolitik und -versorgung betreffend, u.a. Mitherausgeber von zwei Fachbüchern „Market Access im Gesundheitswesen“. Seit 2023 ist Roger Jaeckel als Senior Berater bei dem in Ulm ansässigen Beratungsunternehmen bcmed tätig.
Herr Prof. Jaeckel, die Krankenhausreform ist in aller Munde. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das sog. Krankenhaustransparenzgesetz, das kürzlich im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat behandelt wurde?
Prof. Roger Jaeckel: Das Krankenhaustransparenzgesetz kann als Vorstufe zur eigentlichen Krankenhausreform bezeichnet werden. Zunächst war es als Umgehungsstrategie von Bundesgesundheitsminister Lauterbach konzipiert, die gegenüber den Ländern nicht durchsetzungsfähigen Verhandlungspunkte bei der Krankenhausreform unter dem Aspekt der Qualitätssicherung trotzdem zu erzwingen. Insbesondere die Zuordnung der Krankenhäuser nach Versorgungsleveln ist an den Ländern vorbei in diesem Transparenzgesetz dennoch enthalten, was die Kompromissbereitschaft zu einer gemeinsam getragenen Krankenhausreform deutlich getrübt hat. Das Ergebnis dieses im Bundesrat nicht zustimmungspflichtigen Gesetzes war zunächst eine mehrheitliche Ablehnung der Bundesländer zu diesem Gesetz. Die Konsequenz daraus war, dass der Vermittlungsausschuss mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung jetzt am 21. Februar 2024 tagte und nun doch mehrheitlich dem Bundesrat empfahl, dieses vom Bundestag bereits am 19. Oktober 2023 verabschiedete Gesetz ohne Änderungen anzunehmen. Die Mehrheitsverhältnisse auf Seiten der Bundesländer haben sich zwischenzeitlich folglich zugunsten der von Lauterbach gewählten Reformstrategie geändert. Der formale Beschluss durch den Bundesrat erfolgt zwar erst am 22. März 2024, es kann aber als sicher gelten, dass sich an dieser empfohlenen Beschlusslage nichts mehr ändern wird. Damit steht es zunächst 1:0 für Karl Lauterbach.
Mit dem Krankenhaustransparenzgesetz werden vordergründig die datentechnischen Voraussetzungen geschaffen, die Einteilung der Krankenhäuser nach Leistungsgruppen vorzunehmen. Mit dieser Art „Vorschaltgesetz“ ist es also erst möglich, eine größer angelegte Krankenhausreform überhaupt auf den Weg zu bringen.
Wie ist das im Vermittlungsausschuss mehrheitlich beschlossene Ergebnis denn politisch zu interpretieren?
Prof. Roger Jaeckel: Man kann auf jeden Fall konstatieren, dass die Phalanx der Bundesländer, die zu Beginn der ersten Verhandlungsrunden zur Krankenhausreform noch sehr eindrucksvoll bestand, jetzt wie ein Kartenhaus zusammengebrochen ist. Zum einen steht die Parteiraison in den Bundesländern offensichtlich über den Interessen der Krankenhäuser im eigenen Bundesland, gepaart mit dem Umstand, dass die CDU-regierten Länder über keine Mehrheit im Bundesrat verfügen. Des Weiteren wollten die SPD-regierten Länder auch ein parteipolitisches Zeichen setzen, den eigenen Gesundheitsminister nicht im Regen stehen zu lassen.
Den größten Effekt erzielte Minister Lauterbach mit einer Protokollerklärung, die dem Vermittlungsausschuss vor Beginn der Sitzung vorgelegt wurde und u.a. das Angebot eines Transformationsfonds enthielt und dem Vernehmen nach ein Finanzvolumen von 50 Mrd. Euro, verteilt auf zehn Jahre, enthalten soll und jeweils hälftig von Bund und Ländern finanziell getragen wird. Damit wird deutlich, dass die finanziellen Interessen der Länder vor der Wahrung der eigenen Planungskompetenzen im Land stehen. Der Transformationsfonds in dieser Größenordnung dürfte der reformpolitische Game Changer sein, die groß angelegte Krankenhausreform endgültig auf den Weg zu bringen. Denn nach Aussagen von Minister Lauterbach soll auch dieses Reformgesetz als nicht zustimmungspflichtiges Gesetz auf den Weg gebracht werden.
Ist der von Bundesgesundheitsminister Lauterbach ins Spiel gebrachte Transformationsfonds wirklich die Lösung aller Finanzierungsprobleme im Krankenhaussektor?
Prof. Roger Jaeckel: Ob man damit einen echten „Wumms-Effekt“ erzielt, kann heute überhaupt nicht seriös beantwortet werden. Zunächst handelt es sich um eine politische Idee, die erst noch in reales politisches Handeln umgesetzt werden muss. Dies dürfte mit der angekündigten großen Krankenhausreform Ende April 2024 dann der Fall sein. Ein aufgesetzter Fonds in dieser Größenordnung hat aber auch seine Tücken. Zum einen entsteht eine gigantische Förderbürokratie, die zusätzlich zum bestehenden Krankenhausstrukturfonds, dem Krankenhauszukunftsfonds und anderen länderspezifischen Förderprogrammen von den Krankenhäusern bewältigt werden muss. Zum anderen ist noch völlig unklar, welche Fördertatbestände tatsächlich unter diesen Transformationsfonds fallen. Gegenwärtig hat man den Eindruck, dass die duale Krankenhausfinanzierung überhaupt nicht mehr real existiert und mit dem künftigen Geld jeder finanzielle Engpass bedient werden kann. Dem ist mit Sicherheit natürlich nicht so. Nach meiner Einschätzung können nur im Zuge der Krankenhausreform erforderlich werdende investive Maßnahmen grundsätzlich Berücksichtigung finden. Des Weiteren wird die Förderfähigkeit der Krankenhäuser maßgeblich vom Haushalt der einzelnen Bundesländer abhängen und ob diese gewillt sind, ihren hälftigen Förderbeitrag beizusteuern. Die genannten 50 Mrd. Euro sind deshalb ein maximaler Förderhöchstbetrag, der realiter eher deutlich unterschritten werden dürfte, wenn man den finanziellen Spielraum der Länder aus heutiger Sicht betrachtet. Die noch aufzubauende Förderbürokratie tut ihr Übriges, dass beantragte Fördermaßnahmen keine zeitnahe Umsetzung erfahren oder mit viel zeitlichem und personellem Aufwand verbunden sind. Ebenso wäre die angedachte Förderlogik, 50 Mrd. Euro 10 Jahre lang linear zu verteilen, bereits an dieser Stelle zu hinterfragen. Die heute schon bei den Krankenhäusern auflaufenden Betriebsdefizite werden mit diesem in Zukunft aufgelegten Transformationsfonds jedenfalls keine finanzielle Besserung erfahren.
Was bedeutet dieses Transparenzgesetz eigentlich für die Krankenhäuser?
Prof. Roger Jaeckel: Zunächst die Verpflichtung, regelmäßig, sprich quartalsweise, die angeforderten Strukturdaten an das InEK (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus) zu melden, wobei aufgrund der eingetretenen zeitlichen Verzögerung nicht klar ist, ab wann diese Meldungen zum ersten Mal an das InEK erfolgen muss. Hier bedarf es noch einer gesetzlichen Klarstellung. Dieser zusätzliche Dokumentationsaufwand darf nicht unterschätzt werden. Des Weiteren werden Leistungsgruppen und Versorgungsleveln faktisch durch die Hintertür bereits eingeführt, bevor auf Landesebene krankenhausplanerische Maßnahmen schon entschieden wurden. Dies führt im Ergebnis gerade nicht zu der von der Politik viel zitierten Forderung nach einer verbesserten Leistungstransparenz. Die Mehrheit der Länder hat sich jedenfalls für diese Gangart ausgesprochen, ohne die Konsequenzen für die Krankenhausplanung im eigenen Bundesland konsequent mitgedacht zu haben. Das Krankenhaustransparenzgesetz ist nur das Vorspiel auf die groß angelegte Krankenhausreform, die sich auf eine länger andauernde Zeitperiode erstrecken wird. Die angedachte zehnjährige Laufzeit des Transformationsfonds untermauert diese Annahme doch sehr eindrucksvoll. Bei der Betriebskostenfinanzierung wird es einige Liquiditätsverbesserungen geben, die jedoch nicht bei allen Krankenhäusern eine rechtzeitige finanzielle Besserstellung bewirken werden.
Abschließende Frage: Wird die große Krankenhausreform in diesem Jahr noch gelingen bzw. worauf müssen wir uns konkret einstellen?
Prof. Roger Jaeckel: Nach der großpolitischen Wetterlage sieht es ganz nach einem Durchbruch von Minister Lauterbach aus, dass diese Reform auf Biegen und Brechen und mit Unterstützung der SPD-geführten Bundesländer dieses Jahr noch verabschiedet werden kann. Bis die Umsetzung dieser Krankenhausreform jedoch richtig greift, vergehen noch mindestens zwei Legislaturperioden und der heute amtierende Gesundheitsminister wird bis dahin Geschichte sein. Daraus folgt, dass die im Jahr 2024 noch festzulegende Krankenhausreform auf dem Umsetzungsweg noch etliche Änderungen und Anpassungen erfahren dürfte, denn die fehlende innere Logik dieser Krankenhausreform ist ein schlechter Garant. Hier tragen Bund und Länder gleichermaßen Verantwortung. Primär hätte die Machbarkeit dieser Reform vor Ort geklärt werden müssen. Hier sehe ich die größten Schwierigkeiten, das Leistungsgeschehen der Krankenhäuser zu festigen. Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen einerseits und der sich seit Jahren abzeichnende demographische Wandel andererseits spielen bei diesem Reformansatz nahezu keine Rolle. Die Konsequenz daraus ist, dass der Krankenhaussektor in den kommenden Jahre den Status „gesundheitspolitische Großreformbaustelle“ beibehalten wird. Die Parteiprogramme zur nächsten Bundestagswahl werden schon in naher Zukunft darüber Auskunft geben können.
Vielen Dank für das Gespräch!