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Di­gi­ta­li­sier­te Mos­kito­for­schung: Sa­tel­li­ten­ge­stütz­tes Mü­cken­mo­ni­to­ring in Süd­deutsch­land

24.11.2020, Nach­ge­forscht :

Wer an Moskitos denkt, dem kommen wohl zuallererst tropische Temperaturen, nebelige Regenwälder und sumpfige Dschungelflüsse in den Sinn – und nicht unbedingt ein idyllischer Flachsee mitten auf der Schwäbischen Alb. Doch genau dort stehen heimische und invasive Stechmücken seit einigen Monaten im Fokus des HNU-Forschungsprojekts SWAMMP ("Swabian Mosquito Monitoring Project"). Das liegt nicht etwa daran, dass die Region zum neuen Moskito-Risikogebiet ausgerufen wurde – vielmehr bietet der Schmiechener See im Alb-Donau-Kreis ideale Bedingungen für die Erforschung stehender Wasserflächen und der dort lebenden Stechmückenarten. Warum aber ist die in Mitteleuropa derzeit überhaupt nötig? 

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Im Spanischen bezeichnet ‚Mosquito‘ eine ‚kleine Fliege‘ – ein harmloser Begriff für ein mitnichten unschädliches Insekt, dessen Ausbreitung ein globales Ausmaß angenommen hat. Jährlich sind bis zu 500 Millionen Malaria-Neuinfektionen zu verzeichnen, und durch Stechmücken übertragene Viren, wie etwa das Zika-Virus 2015 in Lateinamerika, sorgen immer wieder für Epidemien. Auch in Deutschland sind Moskitos und andere krankheitsübertragende Mücken wieder – oder eher: immer noch, wie wir erfahren werden – eine veritable Herausforderung.

Wir haben uns mit den HNU-Wissenschaftlern PD Dr. Elmar Buchner und Dr. Martin Schmieder, die die Pilotstudie am Institut DigiHealth (öffnet neues Fenster) leiten, über Malaria-Mücken, den Einsatz von Satellitenbildern und den Vorteil von digitalen Fallen in der Mückenforschung unterhalten und erfahren, was das Besondere am SWAMMP-Projekt ist.

Hauptdarstellerin im HNU-Forschungsprojekt SWAMMP: Stechmücke am Schmiechener See

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Das Tückische an der gegenwärtigen Ausbreitung: Die Stechmücken pflanzen sich nicht nur in den naturnahen Gewässern fort, die ihren ursprünglichen Lebensräumen nahekommen, sondern besiedeln mittlerweile unterschiedlichste Ecken und Nischen in Stadt und Land, darunter auch durchaus kuriose Brutstätten: Die Eroberung leerer Cola-Dosen ist nur ein Beispiel für das bemerkenswerte Talent der Insekten, sich beständig neue Lebensräume zu erschließen. Seit Jahrmillionen auf das Überleben auch in widrigen Umgebungen getrimmt, sind Moskitos wahre Meister der Anpassung geworden, und so können sich auch nicht-heimische, invasive Mückenarten in Deutschland vermehren und weiter ausbreiten. Darwinistisch gesehen machen die Mücken damit alles richtig – nur für den Menschen ist das alles andere als vorteilhaft. Der allerdings sorgt mit seinen Reiseaktivitäten und Handelsbewegungen in einer globalisierten Welt teilweise selbst dafür, dass die Insekten immer zahlreicher Ländergrenzen passieren und sich in heimischen Gefilden einnisten können.

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Als blinde Passagiere sind die Blutsauger dabei überaus einfallsreich, wie Dr. Martin Schmieder (öffnet neues Fenster), wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HNU, erklärt: „Zwei Einfallstore sind da besonders hervorzuheben: Erstens sind das gebrauchte Autoreifen, die als Handelsware verschickt werden. In denen steht gerne mal Wasser – und das sind dann ganz attraktive Brutstätten für sogenannte container breeder, beispielsweise die Asiatische Tigermücke Aedes albopictus, die das Dengue-, Zika- und Chikungunya-Virus übertragen kann. Der zweite Import-Klassiker sind Glücksbambus-Sendungen, die beliebten Bambuswurzeln, die als Talisman in einer kleinen Vase rund um die Welt gehen. Die bringen dann häufig eben kein Glück, sondern invasive Mücken mit nach Hause“.

SWAMMP

Im Rahmen des Forschungsprojekts SWAMMP ("Swabian Mosquito Monitoring Project“) vereinen das Institut DigiHealth und Praxispartner Biogents natur- und gesundheitswissenschaftliche Methoden, um künftige Stechmücken-Risikogebiete zu erkennen. Dabei werden satellitengestützte Fernerkundung und digitale Fallen eingesetzt.

Erste Resultate der Testphase wurden Ende Oktober 2020 bei der IEEE Global Humanitarian Technology Conference (GHTC) (öffnet neues Fenster) in Seattle, USA, vorgestellt.

In­va­si­ve Mü­cken

sind aus nicht-heimischen Gebieten eingeschleppte Mückenarten, die sich an die hiesigen Bedingungen anpassen können. Sie sind als Vektor (Krankheitsüberträger) besonders geeignet, Erreger wie etwa das West-Nil-Virus oder das Chikungunya-Virus zu übertragen. In Deutschland ist die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) ein prominentes und epidemiologisch relevantes Beispiel.

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Um die heutige Bedeutung von mückenübertragenen Krankheiten und insbesondere der Malaria zu verstehen, muss man ein Stück in der Geschichte und vor die Globalisierung zurückgehen, erläutert Dr. Elmar Buchner (öffnet neues Fenster), Privatdozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter für Georessourcen- und Georisikoforschung an der HNU: „Malaria ist entgegen allgemeiner Annahmen kein neuzeitliches Phänomen in Europa. In der Römerzeit etwa waren Moskitos in den feuchten Auen und Altarmen des damals noch nicht begradigten Rheins ein großes Problem – man spekuliert ja sogar, dass die Römer das Rheintal nicht wegen der schrecklichen Germanen, sondern aufgrund von Malaria verlassen haben“.

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Was ebenfalls die wenigsten wissen: Malaria war noch bis in das letzte Jahrhundert hinein vom Süden Deutschlands bis in die norddeutschen Sumpflandschaften weit verbreitet, und im Zweiten Weltkrieg importierten rückkehrende Soldaten sibirische Moskitos – obwohl die russischen Temperaturen bekanntermaßen kaum als tropisch zu bezeichnen sind. Moskitos sind nämlich nicht primär ein Problem hoher Temperaturen, betont Elmar Buchner, sondern vielmehr eine Frage der passenden geoökologischen Voraussetzungen, und die fallen aus Mückensicht immer günstiger aus: In den stehenden Gewässern wieder renaturierter Flüsse oder neu vernässter Sumpf- und Moorgebiete finden Moskitos ideale Bedingungen vor – und passen sich dort dann auch problemlos an niedrigere Temperaturen an.

Fund­stü­cke un­ter dem Mi­kro­skop

Asiatische Buschmücke (Aedes japonicus)

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Es sind also vor allem auch landschaftliche Veränderungen der Grund dafür, dass sich die über den internationalen Reise- und Handelsverkehr eingeschleppten Mücken in unseren Breitengraden zunehmend wohler fühlen, und weniger als vielleicht vermutet die reine Temperaturentwicklung der letzten Jahre in Mitteleuropa. Auch das ökologisch sinnvolle Verbot von in der Vergangenheit großflächig verwendeten Insektenvernichtungsmitteln habe nicht nur die gewünschten positiven Effekte, sondern trage eben auch zur Ausbreitung von Stechmücken bei, so der habilitierte Geowissenschaftler.

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Gerade auch invasive Spezies sind so immer mehr auf dem Vormarsch. „Die Asiatische Buschmücke (Aedes japonicus) beispielsweise, die unter anderem das West-Nil-Virus übertragen kann, gibt es seit ungefähr 2008 bei uns“, berichtet Martin Schmieder. Zum ersten Mal aufgetaucht ist sie nahe der deutsch-französischen Grenze am Oberrhein: „Ein echter Mücken-Hotspot in Deutschland. Mittlerweile findet sich die Buschmücke unter anderem in ganz Baden-Württemberg und in weiten Teilen Bayerns – wir haben auch schon einige davon gefangen“. Andere der bislang identifizierten Arten sind hinsichtlich ihres Ansteckungspotentials noch weitgehend unbekannte Größen: „In unseren Proben häufig vertreten ist zum Beispiel die Mücke Anopheles plumbeus, eine relativ gewöhnliche Art. Bei der weiß man im Moment noch gar nicht so sicher, wie effektiv sie als Vektor – also als Krankheitsüberträger – ist und welche Krankheiten sie genau überträgt“.

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Es liegt also auf der Hand, dass neue Forschungsmethoden nötig sind, um mögliche Risikogebiete frühzeitig erkennen zu können. Genau hier setzt die Pilotstudie SWAMMP an, die seit dem Sommer 2020 am Institut DigiHealth der HNU angesiedelt ist. Mithilfe digitaler Fallen und satellitengestützter Fernerkundung beobachtet und untersucht die Forschungsgruppe die in der bayerisch-schwäbischen Region vorkommenden Mücken, differenziert zwischen einheimischen und invasiven Arten und ermittelt daraus Risikofaktoren und -gebiete. Des Themas Stechmücken und durch Stechmücken übertragene Krankheiten in Deutschland nehmen sich derzeit etliche Netzwerke und Forscherteams an. Das Innovative an der SWAMMP-Methodik: Sie bezieht die Geologie mit ein und kombiniert so die dauerhafte, ganzjährige Überwachung über Satellitendaten mit der Geländearbeit am Boden und dem Einsatz von digitalisierten Mückenfallen – ein quasi panoptischer Blick also auf die Mücken und ihren Lebensraum.

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Die Initialzündung für SWAMMP lieferte ein institutsinternes Brainstorming über eine mögliche Kombination gesundheits- und geowissenschaftlicher Fragestellungen. Doktorand Felix Holl (öffnet neues Fenster) hatte während seines Global-Health-Masterstudiums in San Francisco bereits erste Erfahrungen gesammelt, was das Remote Sensing – die Fernerkundung der Erdoberfläche – in der afrikanischen Malariaforschung betrifft. Schnell identifizierten die HNU-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler hier eine Forschungslücke: „Wir haben festgestellt, dass sich die Methodik, die in afrikanischen Ländern angewandt wird – nämlich über nicht sehr hochauflösende Fernerkundung Gefährdungsgebiete zu erkunden und dort bodengestützt Mücken einzusammeln –, optimieren lässt, zumal sie für die beteiligten Personen in Epidemiegebieten mit einem erhöhten Risiko verbunden ist“, berichtet Elmar Buchner. „‘Das geht besser‘, dachten wir uns, nämlich mit hochauflösender, effizienterer Fernerkundung; und das nicht nur punktuell und sporadisch, sondern flächendeckend und das ganze Jahr über“.

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Möglich ist diese Erkundung aus dem All dank Sentinel-2, einem Satellitenpaar im Copernicus-Programm der EU, dessen frei verfügbare Daten der globalen Erdoberflächenüberwachung, dem Klimaschutz und dem Katastrophen- und Krisenmanagement dienen. Mit ihren Multispektralkameras scannen Sentinel-2A und Sentinel-2B die Oberfläche der Erde und machen sie in Bildern mit unterschiedlichen Wellenlängenbereichen sicht- und analysierbar. Diese Daten sind nicht nur für die Auswertung geologischer Bodendaten hilfreich: Mit der Multispektralanalyse lässt sich – je nach gewähltem Index und Wellenlängenbereich – etwa auch der Limes archäologisch analysieren oder ein durch einen Ölunfall kontaminierter Bereich im Meer identifizieren. Für SWAMMP ist der sogenannte Wasser-Index entscheidend, erklärt Martin Schmieder: „Mittels Satellitendaten können wir damit direkt offene Wasserflächen erkennen, aber auch beispielsweise Unterschiede in der Zusammensetzung von Gesteinen und Böden erfassen. Das gibt uns die Möglichkeit, den geologischen Untergrund auf seine wasserstauenden Eigenschaften hin zu analysieren und daraus Karten zu erstellen“.

Satellitendaten in der Anwendung: die Multispektralanalyse des Schmiechener Sees gibt Aufschluss über geologische und hydrologische Beschaffenheiten
In Aktion: die digitale Mückenfalle, mit der im Projekt SWAMMP Risikogebiete identifiziert werden

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Das zweite wichtige Instrument des Projekts, die digitale Moskitofalle, brachte schließlich Prof. Dr. med. Walter Swoboda (öffnet neues Fenster) ins Spiel („Da gibt es doch diese Mückenzählmaschinen!“). Bei der Recherche nach den automatisierten, digital kontrollierten Fangvorrichtungen stießen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf das Regensburger Unternehmen Biogents AG, das solche digitalen Mückenfallen herstellt und nun seit Oktober 2020 HNU-Praxispartner der SWAMMP-Pilotstudie ist. Dr. Silke Göttler, Projektbetreuerin bei der bayerischen Firma und selbst promovierte Biologin, besuchte das DigiHealth-Team mit ihren digitalen Fallen im Gepäck und wies in deren Funktionsweise ein. „Wir mussten das auch erst einmal lernen“, sagt Martin Schmieder, „denn ganz simpel sind diese Fallen natürlich nicht aufgebaut“.

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Angelockt werden die Mücken über spezielle Lockstoffe und Kohlendioxid aus einer Gasflasche, das in geringen Mengen schubweise ausgestoßen wird, um so den Geruch des menschlichen Körpers zu simulieren. Ein Ventilator in der Falle erzeugt eine Sogwirkung, die die CO2-begeisterten Insekten durch eine Infrarotschranke mit digitalem Counter in einen kleinen, engmaschigen Fangbeutel fliegen lässt, wo sie nach einer Nacht in der Tiefkühltruhe darauf warten, mikroskopiert und charakterisiert zu werden. Dabei teilt der Counter die Mücken bereits beim Einflug je nach Größe in drei Gruppen ein – diese Verteilung ist dann, ebenso wie weitere Daten und Einstellungen der Falle, per Web-Interface aus dem HNU-Labor heraus einseh- und steuerbar.

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Im ersten Testlauf mit dieser digitalen BG-Trap Station, der im Sommer dieses Jahres durchgeführt wurde, machte sich das Team unter anderem im Donautal, in Neu-Ulms Waldgebieten und auf städtischen Plätzen in Ulm mit der Anwendung des Gerätes vertraut, erstellte eine erste kleine Moskito-Verteilungskarte und entdeckte in dieser kurzen Testphase zahlreiche Mücken verschiedener Gattungen, darunter auch weniger geläufige Arten. Während des Probelaufs gerieten übrigens auch die Mücken rund um die HNU unter das Mikroskop – allesamt vom eher unspektakulären Typ Culex pipiens, der Gemeinen Stechmücke. Zwar treten die vor allem in unmittelbarer Nähe des Menschen recht häufig auf, potentieller Überträger verschiedener Krankheiten sind sie aber dennoch.

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Neben der Erfassung ihrer Hauptaktivitätszeiten lieferte das Mückenmonitoring auch einen ersten Befund: Die invasiven Arten kamen nicht, wie angenommen, hauptsächlich in Stehgewässern vor, sondern traten häufig gerade in der Kombination von periodisch austrocknenden Seen und Waldflächen auf, und das nicht nur auf dem Land, sondern auch in der Stadt. „In dieser Erkenntnis ist übrigens auch eine versteckte Botschaft enthalten“, merkt Elmar Buchner an. „Jeder Eingriff in die Natur hat seine Konsequenzen, auch ökologisch positiv zu bewertende Aktivitäten, die im Hinblick auf heimische und invasive Stechmücken eben auch negative Rückkopplungen mit beinhalten können“.

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Auch der eigentliche Untersuchungsraum der Pilotstudie SWAMMP durchlief mit freundlicher Genehmigung des Landen Baden-Württemberg einen Testlauf: ein See in einem Naturschutzgebiet auf der Schwäbischen Alb. Der gut 20 Kilometer Luftlinie von der HNU entfernt gelegene Schmiechener See – größter permanenter See der Schwäbischen Alb und „d’r Sai“, wie er von Einheimischen genannt wird –, repräsentiert den in Mitteleuropa sehr seltenen Gewässertyp des asiatischen Flachsees: In einer Talschlinge der Ur-Donau gelegen, weist er wasserstauende ehemalige Talaue-Sedimente auf, die dafür sorgen, dass er immer wieder zeitweise Hochwasser führt, um daraufhin erneut weitgehend auszutrocknen und zu verlanden. Das bietet den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des DigiHealth-Instituts ideale Forschungsbedingungen, denn: Die Phase kurz vor der Verlandung ist für die Mücken der perfekte Zeitpunkt zur Eiablage und Brut.

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Die besonderen Wasserschwankungen des Schmiechener Sees liegen auch am niedrigen Grundwasserspiegel auf der Schwäbischen Alb: „Wir haben herausgefunden, dass die Wasserveränderungen, die wir über die Satellitendaten beobachten und quantifizieren konnten, recht gut mit dem Grundwasserspiegel korrelieren, der im Frühjahr ungefähr zehn Meter höher ist als sonst“, erklärt Martin Schmieder. Eine lokale Wetterstation und der virtuelle Grundwasserpegel des Schmiechener Sees lieferten hierfür zusätzlich Daten. „So konnten wir davon ausgehen, dass der See und sein Wasserspiegel hauptsächlich durch Grundwasserspiegelschwankungen gesteuert werden und weniger auf Regentage oder ähnliche Wettertrends ansprechen“. Neben dem eigentlichen Mückenmonitoring gewinnt das Team so also auch Erkenntnisse über die geologischen und hydrologischen Verhältnisse des Sees, aus denen sich wiederum Risikophasen ableiten lassen.

Forschungsgelände Schmiechener See: größter permanenter See der Schwäbischen Alb

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Insgesamt setzt das Institut DigiHealth in seiner Forschung sechs Mückenfallen ein; darunter neben den beiden digitalen BG-Trap Station-Fallen auch vier analoge Fallen. Das Besondere an den digitalen Mückenfallen: Das Monitoring ist nahezu vollständig im Remote-Modus möglich. So lässt sich aus dem Gesundheitsmanagement-Labor heraus nicht nur die Anzahl der bereits geköderten Mücken vor Ort überprüfen, sondern auch der CO2-Ausstoß anpassen, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Helligkeit kontrollieren und der Ventilator regulieren. „Außerdem müssen wir so nicht ständig das Naturschutzgebiet betreten“, fügt Martin Schmieder hinzu, der dort trotzdem regelmäßig in größeren Zeitabständen und möglichst umsichtig nach dem Rechten sieht und ground truthing betreibt, also die Satellitenbeobachtungen aus dem All vor Ort verifiziert. Zwar laufen die digitalen Fallen – und das ist, so erklärt der promovierte Geowissenschaftler, eben der große Vorteil – weitestgehend von selbst, ein wenig Kontrolle sei aber natürlich trotzdem nötig.

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Wenn im nächsten Jahr die Mückensaison beginnt, geht SWAMMP in die nächste Phase: Neben der stationären Mückenfalle am moorigen Westufer des Schmiechener Sees kommt dann die zweite, mobile Trap Station zum Einsatz, die zum einen der Überwachung des restlichen Sees und seiner Verlandungszonen dienen wird, mit der zum anderen aber auch städtische Bereiche in Neu-Ulm und Ulm genauer unter die Lupe genommen werden. Dabei geht es in der Pilotstudie nicht darum, die Ausbreitung invasiver Mückenpopulationen an sich zu stoppen, das sei weder Aufgabe noch Intention des Projekts, erklären die Wissenschaftler. Vielmehr leistet SWAMMP einen wichtigen Beitrag in der Identifikation von Risikogebieten – und das nicht nur für Bayerisch-Schwaben, denn: Langfristig soll die integrative Methodik der Pilotstudie international adaptiert werden.

Unter die Lupe genommen: Doktorand Felix Holl mikroskopiert die gefangenen Mücken im GM-Labor
DigiHealth-Mitarbeiter Michael Örtl, Dr. Silke Göttler von der Biogents AG (Regensburg), SWAMMP-Projektleiter Dr. Martin Schmieder und DigiHealth-Mitarbeiter Felix Holl (von links nach rechts) mit einer „BG-Trap Station“ (mittig vorne) und zwei mobilen BG-Pro-Fallen am HNU-See

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Geplant ist zunächst, das Projekt in ein vernetztes, deutschlandweites Monitoring von invasiven und krankheitsübertragenden Mücken zu überführen. Im Anschluss könnte das Modell dann auf Länder wie Spanien, Italien oder Griechenland übertragen werden, in denen Malaria ein dauerhaftes Problem geblieben ist. Perspektivisch, so erklärt Elmar Buchner, möchte das Projekt wieder zu seinen Wurzeln kommen: Wenn genug Wissen und Praxiserfahrung gesammelt sind und die Technik ausgefeilt ist, soll das Modell SWAMMP in tropischen Ländern und dem Globalen Süden anwendbar werden, wo in Gefährdungsgebieten nach wie vor mit relativ aufwändigen und nicht ungefährlichen Mitteln gearbeitet wird. Die niederschwelligen technischen Voraussetzungen sind dafür ideal: „Man braucht nur einen Laptop, die geologischen Daten gibt’s mit etwas Know-how, und die Satellitendaten stehen frei zur Verfügung“, sagt Elmar Buchner. „So lassen sich also mit relativ geringen finanziellen und materiellen Mitteln riesige Gebiete in diesen Ländern überwachen und Gefährdungskarten verbessern. Letztere sollen dazu beitragen, Krankheiten, die Millionen von Leuten betreffen, besser in den Griff zu bekommen“.

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Wer also im Sommer 2021 am Schmiechener See spazieren geht und dort vielleicht eine der blau-weißen Biogents-Fallen des HNU-Instituts DigiHealth entdeckt, der kann beruhigt sein: Der Schmiechener See ist keine ausgemachte Brutstätte für gefährliche Moskitos – er ist in erster Linie ein hydrologisch besonders interessanter regionaler Standort für ein Forschungsprojekt, das den kleinen Plagegeistern und ihren Auswirkungen künftig über die Grenzen Bayerns und Deutschlands hinaus mit modernem digitalem Monitoring begegnen wird.

PD Dr. El­mar Buch­ner

forscht an der HNU im Bereich Georessourcen- und Georisikoforschung (öffnet neues Fenster). Er ist Koordinator des Technologienetzwerks Bayerisch-Schwaben (TBS) und für strategische Forschungsförderung an der Hochschule zuständig. Elmar Buchner ist außerdem in den Leitungsgremien von sechs BayWISS-Verbundkollegs aktiv, die kooperative Promotionen an bayerischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften fördern.

Dr. Mar­tin Schmie­der

ist Geowissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter (öffnet neues Fenster) für wissenschaftliche Projektleitung am Institut DigiHealth der HNU. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die geologische Fernerkundung mittels Satellitendaten in unterschiedlichen Anwendungsbereichen. Derzeit erforscht er im Rahmen des Projektes SWAMMP gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen mögliche Stechmücken-Risikogebiete. Außerhalb des SWAMMP-Projektes ist Schmieder auch Ansprechpartner und Koordinator der Gemeinsamen Ethikkommission der Hochschulen Bayerns (GEHBa (öffnet neues Fenster)) und im Bereich Forschungsförderung an der HNU aktiv.